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Elya Maurice Conrad Änder StudiesGewöhnt euch dran! Schwänze lutschen, Fotzenmukke machen und dabei geil aussehen, das gehört ab jetzt halt dazu

Foto: Cedric Büchlin

Wenn ich Musik mache, rede ich viel über Sex. Über queeren Sex, über Bisexualität, über Grenzen von Geschlechtern und über den Konflikt, in dem queere Sexualität mit der Mehrheitsgesellschaft steht. Ich tue das, weil queere Lust und queerer Sex Teil meines Lebens sind, und weil es mich nervt, dass die ganze Popkultur voll ist von Männern, die Frauen erobern und Frauen, die von Männern erobert werden wollen.

Und ja, ich will damit auch stören. Ich will es übertreiben, und ich will den Spaß, den ich mit meiner Musik und meiner Kunst und meinem Sex habe, zeigen.

Scrolle ich durch TikTok- und Instagram-Feeds, scheint das aber vielen meiner eigenen Generation nicht so zu gefallen. Mich beschäftigt das. Warum seid ihr plötzlich so prüde? In meinen Kommentaren landet zum Beispiel die Nachricht von Patrick: „Ich hab echt nix gegen euch Queers, aber müsst ihr das so in den Vordergrund stellen? Das ist doch mittlerweile vollkommen normal! Deshalb hasst man euch!“

Dieser Kommentar hat mich lange nicht losgelassen, denn er steht für ein Phänomen: Die vermeintliche Normalität von queerer Sexualität wird herausgestellt, um zu sagen: „Hört auf, das zu zeigen!“ Und irgendwie stimmt da was nicht.

Ich bin Mehnersmoos-Fan. Die Musik der selbsternannten „Frankfurter Arschrapper“ besteht im Grunde aus einer maximal stumpfen und eingängigen Wiederholung der Elemente Analsex, Bier, performativer Abwesenheit eines geregelten Beschäftigungsverhältnisses, Fäkalsprache und noch mehr Analsex.

Muss man nicht mögen. Aber interessanterweise scheinen die Typen in meinen Kommentarspalten, die sich um zu viel Sex in der Popkultur sorgen, hier erstaunlich einfach auf „Weiter“ klicken zu können, wenn ihnen der Inhalt nicht zusagt.

Ebenso wie bei all den 08/15-Deutschrappern, oder wenn „Layla“ aus den Boxen schallt. Rappen aber Ikkimel oder Maryibu über Fotzenhaftigkeit, oder ich selbst übers Schwanzlutschen, geht das plötzlich zu weit. Dann wird die vermeintliche Normalität zum Argument, warum wir die Klappe halten sollen.

Gegenfrage an Patrick: Warum stört dich das denn nur bei Frauen und Queers? Daraufhin hat er etwas Spannendes gesagt: Bei Mehnersmoos und Co sei ja offensichtlich, dass das alles „nicht ernst gemeint“ sei. Deshalb könne er da einfach skippen.

Im Umkehrschluss wird das interessant: Nach wie vor gibt es ja eine mehrheitlich propagierte Heteronormativität, die vorgibt, was „normal“ ist und was davon abweicht. Daher rührt auch Patricks Unwohlsein, wenn er meine TikToks in die Timeline gespült bekommt, und wenn er sieht, wie Ikkimel auf der Bühne einen Mann in einen Käfig sperrt.

Die vermeintliche Normalität als Argument, warum wir die Klappe halten sollen

Patrick kann zwar skippen, doch gestört fühlt er sich trotzdem. Was sehr deutlich macht, dass da eben etwas nicht „normal“ ist. Und das nervt mich. Wenn jede Darstellung von Sex, egal ob ernst oder übertrieben, die nicht ins Schema „Layla“ passt, euch nervös macht, liebe Patricks, dann stimmt was nicht mit diesem „normal“. Gewöhnt euch dran! Schwänze lutschen, Fotzenmukke machen und dabei geil aussehen, das gehört ab jetzt halt dazu.

Scroll’weiter, wenn dir das nicht passt, oder feier mit uns. Wir brauchen eine Welt, in der wir genauso selbstverständlich sind, wie die Millionen von cis-hetero Dudes, die schon immer über ihre Pimmel, Frauen und alles andere reden dürfen. Bis dahin drücke ich euch rein, was ich mache, bis es euch gefällt.

Elya Maurice Conrad, 24, ist Klimaaktivist*in, Rap­pe­r*in und Software Engineer.

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