Elbblick: Seefahrtsschule sieht Silberstreif
Das marode Gebäude in bester Höhenlage stand zum Abriss bereit. Nachdem sich der letzte Investor zurückgezogen hat, setzt in Altona nun ein Umdenken ein.
Der Ort, den es eigentlich nicht mehr geben sollte, liegt in Altona am Hang über der Elbe. Auf der Rückseite liegt die Elbchaussee nur ein paar Schritte entfernt, auf der Vorderseite gibt eine Terrasse den Blick frei auf Hafen und Köhlbrandbrücke. Sonnenschirme stehen herum, eine Tischtennisplatte. In diesem Sommer herrscht in der ehemaligen Seefahrtschule wieder Café-Betrieb.
Noch im März vergangenen Jahres hatte die Bezirksversammlung Altona einen Architektenentwurf gebilligt, der an dieser Stelle einen fünfgeschossigen Glaskoloss vorsah. Doch der Investor Rickmers Immobilien, der bereits angekündigt hatte, den Hauptsitz der Reederei Rickmers in den repräsentativen Neubau zu verlegen, zögerte -und ermöglichte die erste Runde für die "Sommerterrasse" der Kneipe Hafenbahnhof, die am unteren Ende des Hangs liegt und wegen Straßenbauarbeiten ihre dortige Terrasse schließen musste.
Im Juni diesen Jahres zog sich die Rickmers Gruppe dann endgültig zurück - offiziell, weil die Stadt Hamburg den "freien Elbblick" an dem Standort nicht habe garantieren wolle. Derzeit prüfe das Immobilienmanagement der Finanzbehörde, ob das alte Ausschreibungsverfahren weitergeführt werden müsse, sagt der Chef der CDU-Bezirksfraktion in Altona, Uwe Szczesny. "Wenn nicht, werden wir darauf bestehen, dass eine neue Ausschreibung stattfindet."
wurde 1931 bis 1935 gebaut und diente bis 2005 der nautischen Ausbildung von Schiffsoffizieren.
Die Entwürfe für die Schule stammten von Hans Meyer, einem Hamburger Architekten, der vor allem für den Altonaer Bau- und Sparverein tätig war.
Nach Auskunft des Hamburger Denkmalamtes handelt es sich "um ein hervorragendes Beispiel der zeitgenössischen, öffentlichen Hochbautätigkeit in Altona, die noch ganz dem Neuen Bauen der 1920er Jahre verpflichtet war".
Das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz, ist aber als "schutzwürdig" eingestuft.
Während der Senat bei der damaligen Ausschreibung eine "repräsentative, große und neue Lösung" forderte, will zumindest die CDU in Altona einen Erhalt der Seefahrtsschule nicht mehr ausschließen. "Für uns steht das Konzept im Vordergrund", sagt Szczesny. "Wir wollen an dieser exponierten Stelle in Altona etwas Besonderes haben." In den oberen Geschossen des Gebäudes habe eine "kulturelle Nutzung" eine "besondere Attraktion", sagt Szczesny: "Das muss nur funktionieren." Staatliche Zuschüsse lehne die CDU, die in Altona mit den Grünen regiert, ab: "Man kann nicht dem Staat in die Tasche greifen", sagt Szczesny.
Anderer Auffassung ist die Initiative Annaelbe, die sich gerade erst zum Erhalt der Seefahrtschule gegründet hat. "Der Senat sollte auf einen Verkauf verzichten", sagt eine Sprecherin. "Wenn man sich anschaut, wie die Stadt den Hafengeburtstag sponsert, fragt man sich doch, warum kein Geld für Kunst da sein soll."
Die Initiative schlägt vor, das Café mit Sommerterrasse weiterzuführen und die Seefahrtschule zu einem Ort für "künstlerische Aktivitäten" zu machen - Motto: "Beste Lage für die Kunst". Bei der Kulturbehörde hatte die Initiative einen Antrag auf Fördermittel für Off-Kultur-Projekte gestellt. Er ist abgelehnt worden.
Für "Low-Budget-Kultur", sagt CDU-Fraktionschef Szczesny, sei die Seefahrtsschule nicht der richtige Ort. Dafür denke er schon eher an den Kulturbahnhof, der auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs an der Harkortstraße entstehen soll. Geeignete Bewerber für die Seefahrtschule seien eine Architekturakademie oder die Stage School.
Dessen ungeachtet sei die Adresse der Seefahrtschule "ein hervorragender Aussichtspunkt über der Elbe, der für die Öffentlichkeit erhalten bleiben muss", sagt der Bezirkspolitiker. Er könne sich im Erdgeschoss sehr gut ein Restaurant vorstellen, "es muss ja nicht unbedingt was Hochpreisiges sein".
Zuständig für den Verkauf von Grundstück und Gebäude ist allerdings nicht der Bezirk, sondern die Finanzbehörde. Die wiederum müsste sich einen Vertragsabschluss von der "Kommission für Bodenordnung" genehmigen lassen, einem beim Senat angesiedelten Gremium, dessen Sitzungen geheim gehalten werden.
Die Mehrheit in der Kommission hat die CDU. Fragt sich, wer sich durchsetzen kann: Die Finanzbehörde, die gerade erst ein riesiges Haushaltsdefizit einräumen musste und darum froh sein kann über jede Million, die sie einnimmt. Oder die Altonaer Christdemokraten, die versichern, sie würden dabei nicht mitmachen.
"Wir hier in Altona sind schwarz-grün", sagt Szczesny, "und der Senat ist auch schwarz-grün". Komme es zu einem neuen Verfahren, sei er optimistisch, "dass wir der Finanzbehörde unsere Beschlüsse hier in Altona mitgeben".
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