Eklat in Rostock: CDU nicht mehr gänzlich gegen NPD
Die Bürgerschaft in Rostock war sich bislang einig: NPD-Anträge werden abgelehnt. Jetzt kündigt die CDU den Konsens auf - ohne weitere Erklärung.
HAMBURG taz | Das Verhalten der CDU in der Rostocker Bürgerschaft überraschte. In der Hansestadt stimmten erstmals nicht alle Abgeordneten um den CDU-Fraktionsvorsitzenden Dieter Neßelmann gegen einen NPD-Antrag. Die Mehrheit der Fraktion verließ bei der Abstimmung über die Umbenennung der Ilja-Ehrenburg-Straße den Saal.
"Mit dem Verhalten unterlief die CDU den Konsens, mit allen anderen Parteien geschlossen gegen die NPD zu stimmen", sagt Steffen Bockhahn, Bürgerschaftsabgeordneter von der Linkspartei. Auf der letzten Bürgerschaftssitzung vor der Sommerpause, am 29. Juni, brachten zwei NPD-Abgeordnete den Antrag ein, die Straße nicht mehr nach dem russischen Schriftsteller zu nennen. Die NPD störte, dass Ehrenburg während des Zweiten Weltkriegs die Rote Armee aufrief, die Deutschen im Kampf nicht zu schonen. Dass Ehrenburg Jude war, störte die Partei nicht minder.
In gut zwei Monaten wird in Mecklenburg-Vorpommern der Landtag neu gewählt. Die NPD ist sehr bemüht, durch gesellschaftliche und kommunalpolitische Zuspruchgewinnung wählbar zu erscheinen. Die NPD-Fraktion, von Udo Pastörs angeführt, will wieder in den Landtag. "Klare Grenzziehungen sind dringend geboten", sagt Bockhahn, der für die Linke auch im Bundestag sitzt. Die CDU äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht.
Dass der Antrag keine Mehrheit fand, war für die NPD nicht entscheidend. Erstmals gelang es ihr, den Konsens der anderen Parteien aufzubrechen. Ein Erfolg, vor dem Hubertus Buchstein, Professor an der Universität Greifswald, und Gudrun Heinrich, Doktorin an der Universität Rostock, in einer Studie zum Rechtsextremismus warnen. Das Aufkündigen der überparteilichen Vereinbarung durch die CDU dürfte der Auseinandersetzung in der Partei selbst geschuldet sein. Seit Monaten fordert auch der CDU-Kreisverband eine Namensänderung.
Der Verlauf der Abstimmung dürfte auch das Pressefest ihrer Parteizeitung Deutsche Stimme bestimmt haben. Am Wochenende kamen über 2.000 Mitglieder und Freunde der NPD in Sachsen zusammen. Als einer der Hauptredner trat Pastörs auf, dessen Fraktion, neben vielen anderen Gruppen, einen Infostand ausrichtete.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid