Eklat bei deutsch-polnischer Kunstschau: Tanzverbot in der Gaskammer
Nach Antisemitismusvorwürfen entfernt der Berliner Martin-Gropius-Bau einen Kurzfilm des polnischen Künstlers Zmijewski aus einer laufenden Ausstellung. Polen verzichtet auf Protest.
BERLIN dpa/dapd | Nach Protesten hat der Berliner Martin-Gropius-Bau einen Kurzfilm des international bekannten polnischen Künstlers Artur Zmijewski (45) aus der Ausstellung "Tür an Tür: Polen – Deutschland" entfernt. Zmijewski hatte auch in einer einstigen KZ-Gaskammer gedreht.
Museumsdirektor Gereon Sievernich sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Aus Respekt vor den Opfern der Konzentrationslager und deren Nachfahren haben das Königsschloss Warschau, unser Partner, und der Martin-Gropius-Bau sich entschieden, das Werk nicht (mehr) zu zeigen."
In Zmijewskis knapp fünf Minuten langem Videofilm "Berek" (Fangspiel, 1999) spielen nackte Männer und Frauen unter anderem in einer früheren KZ-Gaskammer Fangen. Laut Ausstellungskatalog hat das Werk die Absicht, "eine psychotherapeutische Erinnerung an die traumatischen Erlebnisse zu bewirken, um das Geschehene zu überwinden".
Die stellvertretende Direktorin des Gropius-Baus, Susanne Rockweiler, wies den Vorwurf einer Einmischung in die künstlerische Freiheit zurück. "Die Entscheidung ist dem Verständnis für die Betroffenen geschuldet", sagte sie am Montag auf Anfrage. Mehrere Besucher, darunter auch jüdische Mitbürger, hätten Befremden über den Film geäußert.
Künstler nicht informiert
Die Kuratorin der Ausstellung, die polnische Kunsthistorikerin Anda Rottenberg, hatte überrascht auf die Entscheidung reagiert. Weder sie noch der Künstler seien von der Absicht informiert worden, den Film zu entfernen, sagte sie der polnischen Nachrichtenagentur PAP.
Sie hätten sich aber entschieden, nicht dagegen zu protestieren, sagte Rottenberg. "Berek wurde (in der Vergangenheit) in der ganzen Welt gezeigt, darunter in den USA und mehrfach in Deutschland. Bisher hat die Arbeit nie Proteste hervorgerufen." Auch Polen verzichtet auf einen Protest. Man wolle den Eindruck vermeiden, sich in deutsch-jüdische Belange einzumischen, hieß es zu dem Verzicht auf eine Protestnote in der Gazeta Wyborcza.
Museumsleiterin Rockweiler erklärte, in die Entscheidung sei neben dem Warschauer Schloss auch der Vorsitzende des zuständigen wissenschaftlichen Beirats, Prof. Wladyslaw Bartoszewski, eingebunden gewesen. Man sei gemeinsam der Meinung gewesen, dass in Berlin als der Stadt der Täter eine besondere Sensibilität gegenüber den Opfern zwingend notwendig sei.
Der jetzt umstrittene Künstler Zmijewski vertrat Polen 2005 bei der Biennale von Venedig. 2007 wurde er als teilnehmender Künstler zur documenta nach Kassel eingeladen. Im kommenden Jahr soll er als Kurator die Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst verantworten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?