Eishockey-Primus ERC Ingolstadt: Großes Transfergeschick
Der ERC Ingolstadt ist einer der beiden Favoriten auf die deutsche Meisterschaft. Gerade Coach Mark French erweist sich als Glücksfall für den Klub.
Ein Verein, der in der Deutschen Eishockey-Liga Erfolg haben will, braucht – abgesehen von verlässlichen Geldgebern – unbedingt einen schlauen Trainer. Dazu eine Handvoll deutscher Nationalspieler und gute Beziehungen in ausländische Ligen, vor allem nach Nordamerika. Es geht darum, Profis zu finden, die talentiert sind, möglichst nicht zu alt und dennoch bereit, in Deutschland zu spielen – trotz der Gehälter, die hierzulande im Vergleich etwa zur Schweiz eher gering sind. Von der nordamerikanischen Eliteliga NHL ganz zu schweigen.
Der ERC Ingolstadt, der gerade die Hauptrunde der DEL-Saison 2024/25 als Spitzenreiter abgeschlossen hat – zum ersten Mal in seiner Klubgeschichte –, besitzt all dies: Hauptsponsor ist der in Ingolstadt ansässige Automobilhersteller. Der kanadische Coach Mark French, 53, der seit drei Jahren in der oberbayerischen Stadt an der Donau wirkt, ist zum zweiten Mal nach 2023 als DEL-Trainer des Jahres ausgezeichnet worden. Geehrt wurde zudem der 27-jährige Kanadier Alex Breton, der im letzten Sommer nach Ingolstadt kam und als Verteidiger des Jahres ausgezeichnet wurde. Außerdem stehen Nationalspieler wie Daniel Schmölz oder Wojciech Stachowiak im Kader.
Trainer des Jahres zu sein, sei eine große Ehre, sagte French – und fügte, wie es sich für einen Teamplayer gehört, hinzu: „Ein großer Teil gebührt dem gesamten Trainerstab sowie der Mannschaft, die unser Konzept zu hundert Prozent verinnerlicht und mit hervorragenden Leistungen auf dem Eis umgesetzt hat.“ Sein Fokus liegt auf einer aggressiven Offensivstrategie, die darauf abzielt, den Gegner früh unter Druck zu setzen und schnelle Spielzüge zu initiieren. Diese Art des Spiels hat dem ERC insgesamt 38 Siege in 52 Spielen eingebracht – und das Publikum begeistert.
Es passt alles zusammen, und deshalb gilt der ERC unter Fachleuten neben Titelverteidiger Eisbären Berlin, Tabellenzweiter der Hauptrunde, als großer Favorit auf die Meisterschaft. Manch einer meint gar, man könne gleich ein Endspiel zwischen den beiden Klubs terminieren und sich die Präliminarien, Viertel- und Halbfinale schenken. Aber das ist Unfug. Die Erfahrung lehrt, dass in den Playoffs viel passieren kann – wie zum Beispiel anno 2014, als der ERC von Tabellenplatz neun aus als Qualifikant Meister wurde. Zum ersten und einzigen Mal.
Siegquote von 58 Prozent
Mit French, gebürtig aus Milton, Ontario, begann eine neue Erfolgsgeschichte. Der stets freundliche Coach war früher unter anderem in der nordamerikanischen AHL und in der russischen KHL tätig. In der DEL hat er sich den Ruf eines Taktikfuchses verdient, der Gegner durch gewiefte Umstellungen in den Spielen regelmäßig austrickst. Seine Bilanz: Von seinen bisher 183 Spielen an der Bande des ERC gewann er 107. Das entspricht einer Siegquote von knapp 58 Prozent. 2023 kam French mit Ingolstadt ins Finale gegen München, im Vorjahr war nach Niederlagen gegen Bremerhaven im Viertelfinale Schluss.
Danach wurde das Team an einigen Stellen verändert, unter anderem kam Breton vom slowakischen HC Kosice und aus Düsseldorf Stürmer Kenny Agostino. Für die Verpflichtungen verantwortlich ist der amerikanische Sportdirektor Tim Regan, 51, der sein Amt ebenfalls 2023 antrat. Zuvor war er Co-Trainer und Assistent des damaligen Sportdirektors Larry Mitchell. Regan hatte die Idee, French nach Ingolstadt zu holen – sein bester unter vielen guten Transfers.
Im Playoff-Viertelfinale bekommt es Ingolstadt ab Sonntag mit Nürnberg zu tun. Am vergangenen Freitag, dem letzten Hauptrundenspieltag, an dem es für Ingolstadt um nichts mehr ging, war die Motivation der ERC-Profis wohl nicht mehr bei 100 Prozent – und so verloren sie zu Hause mit 0:4 gegen den Tabellenneunten Schwenningen. French nahm es gelassen: „Dieses Spiel können wir schnell zur Seite schieben“, sagte er. „Wir haben über die gesamte Hauptrunde hinweg herausragende Konstanz bewiesen und uns gute Gewohnheiten und Selbstvertrauen erarbeitet. Das müssen wir jetzt in die Playoffs mitnehmen.“ Alle Serien werden im Modus „Best of 7“ gespielt. Wer viermal siegt, gewinnt die Serie – und am Ende die Meisterschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!