Einwanderung: Einwanderung in die Statistik
Die Einwohnerstatistik erfasst jetzt den Migrationshintergrund. Demnach ist jeder vierte Berliner Migrant.
Ein Viertel aller BerlinerInnen sind eingewandert oder Nachkommen von EinwanderInnen. Das geht aus einer Analyse melderechtlicher Daten hervor, die das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am Dienstag gemeinsam mit dem Integrationsbeauftragten des Senats, Günter Piening, vorstellte. Zum ersten Mal werden darin neben Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit auch "Deutsche mit Migrationshintergrund" erfasst. Demnach leben in Berlin neben 470.000 AusländerInnen 393.500 deutsche StaatsbürgerInnen nichtdeutscher Herkunft. Das sind zusammen 25,7 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Als "gewaltigen Schritt nach vorn" für die Integrationspolitik bezeichnete Piening die neue Zählweise. Die bisherige Statistik, die ausschließlich In- und Ausländer unterschieden hatte, "bildet die Wirklichkeit nicht mehr ab", so der Integrationsbeauftragte. Weder Spätaussiedler noch eingebürgerte Einwanderer wurden dort bislang von eingeborenen Deutschen unterschieden. Auch die hier geborenen Kinder nichtdeutscher Eltern, die seit der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts zum Januar 2000 von Geburt an die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen können, tauchten bislang in der Einwohnerstatistik nicht als unterscheidbare Gruppe auf. Mit dem Merkmal "Migrationshintergrund" sind nun auch diese Gruppen statistisch erfassbar.
Für den Integrationsbeauftragten ein Grund zur Freude: Die neuen Zahlen würden "mit einigen Mythen der Integrationsdebatte aufräumen", hofft er. Etwa damit, dass Zuwanderung ein Phänomen des westlichen Berlins sei: Außer Treptow-Köpenick (9,9 Prozent) haben längst alle Ostbezirke einen Migrantenanteil von mehr als 10 Prozent. Spitzenreiter ist Lichtenberg: Bei einem Migrantenanteil von 15,9 Prozent ist bereits etwa jeder sechste Lichtenberger nichtdeutscher Herkunft.
Auch für die bildungspolitische Debatte erhofft sich Piening Wirkung: "Über 40 Prozent der unter 18-jährigen BerlinerInnen haben einen Migrationshintergrund, im Innenstadtbereich sind es bis zu 70 Prozent." Die in Diskussionen über das Berliner Bildungswesen häufig gestellte Forderung nach Senkung des Migrantenanteils an Schulen sei demnach "völlig verrückt", so Piening. Handlungsbedarf zeige auch die hohe Zahl älterer MigrantInnen auf: Mehr als ein Drittel der in den Innenstadtbezirken lebenden EinwanderInnen sind über 55 Jahre alt.
"Zuwanderung wirkt sich auf alle Institutionen des öffentlichen Lebens aus. Integrationspolitik muss deshalb diese Institutionen verändern", so das Fazit des Senatsbeauftragten für Integration. Er sieht Berlin mit seinem Integrationskonzept, das auf eine interkulturelle Öffnung der Verwaltung und anderer Institutionen abzielt, auf dem richtigen Weg. Kritik kommt dagegen von der Opposition: Es werde zu viel geredet und zu wenig gehandelt, klagt die integrationspolitische Sprecherin der Grünen Bilkay Öney und fordert "Chancengleichheit für 860.000 Berliner mit Migrationshintergrund."
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!