Einstellung von "News of the World": Schlechte Nachrichten im Abo
Mit der Einstellung von "News of the World" am Sonntag will Rupert Murdoch den Abhörskandal vergessen machen. Doch die Festnahme von Ex-Chefredakteur Andy Coulson steht dagegen.
DUBLIN taz | Andy Coulson, der frühere Pressechef des britischen Premierministers David Cameron, ist am Freitag festgenommen worden. Er soll im Zusammenhang mit dem Abhörskandal bei der Sonntagszeitung News of the World verhört werden, denn er war von 2003 bis 2007, bevor er zu Cameron wechselte, Chefredakteur des Revolverblatts. Unter seiner Ägide sind hohe Schmiergelder an Polizisten geflossen. Darüber hinaus interessiert die Polizei seine enge Verbindung zu einem Mann, der des Mordes verdächtigt wird.
Dem Guardian liegen Informationen vor, dass eine weitere Verhaftung "eines führenden Journalisten" der News of the World unmittelbar bevorsteht. Ob es sich dabei um Coulsons Vorgängerin Rebekah Brooks handelt, verriet die Zeitung nicht, um die Ermittlungen nicht zu beeinflussen.
Brooks ist inzwischen Chefin von News International, dem britischen Zweig des Medienimperiums von Rupert Murdoch, zu dem neben der News of the World auch die Times und die Sun sowie Anteile an Sky Television gehören. Unter Brooks Chefredaktion geschahen bei der News of the World einige der unappetitlichsten Abhöraktionen. So ist 2002 unter anderem die Mailbox einer vermissten und später ermordet aufgefundenen 13-Jährigen angezapft worden.
Unangenehme Affäre für Cameron
Cameron sagte am Freitag, dass er den Rücktritt von Brooks begrüßt hätte. Für den Premierminister ist die Affäre höchst unangenehm. Brooks steht ihm persönlich nahe, und auch "Coulson war und ist ein Freund", wie er einräumte. Von dessen Verbindungen zu einem Mordverdächtigen und von den Abhörgeschichten habe er nichts gewusst, bevor er ihn anheuerte, beteuerte Cameron. Coulson war im Januar aufgrund des öffentlichen Drucks von seinem Amt zurückgetreten.
Der Premierminister kündigte am Freitag zwei Untersuchungen an. Die erste soll herausfinden, warum die polizeilichen Ermittlungen 2006 im Sande verliefen. Damals wurde lediglich die Bespitzelung einiger Bediensteter des Königshauses aufgedeckt. Der Schnüffler, Privatdetektiv Glenn Mulcaire, sowie ein Journalist der News of the World wurden deshalb zu kurzen Gefängnisstrafen verurteilt.
Doch bereits damals lagen den Beamten 11.000 Seiten Aufzeichnungen von Mulcaire vor, aus denen hervorging, dass er nicht nur die Handys von Prominenten und Mitgliedern der Königsfamilie abgehört hatte, sondern auch von den Angehörigen ermordeter Kinder sowie von den Familien der Londoner Terroropfer vom Juni 2005 und der im Irak und in Afghanistan getöteten Soldaten. Die zweite Untersuchung, die noch in diesem Sommer beginnen soll, wird sich mit der "Kultur, Ethik und Praxis der britischen Presse" beschäftigen. Die Presseaufsichtsbehörde habe versagt und werde durch eine neue Institution ersetzt, erklärte Cameron.
James Murdoch, der Sohn des Medienzaren Rupert Murdoch, der den britischen Zweig des Imperiums leitet, erklärte den 200 Angestellten der News of the World am Donnerstag, dass das 168 Jahre alte Blatt dichtgemacht werde. Die morgige Ausgabe werde die letzte sein. Sie werde keine kommerziellen Anzeigen enthalten, der Profit komme "einem wohltätigen Zweck" zugute.
Aufgeben kommt nicht in Frage
Die Murdochs werden den Markt der Sonntagszeitungen aber nicht so einfach aufgeben. Vermutlich wird schon nächste Woche eine Sonntagsausgabe des Schwesterblatts Sun erscheinen. Die entsprechenden Websites mit "SunOnSunday" sind in verschiedenen Versionen am Mittwoch registriert worden.
Die Schließung der mit einer verkauften Auflage von 2,6 Millionen erfolgreichsten britischen Sonntagszeitung ist der verzweifelte Versuch, einen Schlussstrich zu ziehen, damit Murdochs Übernahme der restlichen 61 Prozent des Fernsehsenders BskyB durchgewinkt wird. Die Chancen dafür stehen längst nicht mehr so gut, die Aktien des Senders sind seit den letzten Tagen im Keller.
Das Ministerium für Kultur, Medien und Sport, das für die Genehmigung der Übernahme zuständig ist, wird darüber frühestens im September entscheiden. Normalerweise gehen bei einem Übernahmegeschäft zehn bis 15 Widersprüche ein. Gegen Murdochs Übernahmeversuch waren es gestern bereits mehr als 140.000.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter