Einsatz für den Flughafen Tempelhof: Abflug verpasst
Immer am 30. Oktober erinnert eine Bürgerinitiative an die Schließung des Flughafens Tempelhof - mit einer Trauerfeier
Wenn Dorothea Kroll sich an Tempelhof erinnert, dann denkt sie zuerst an Softeis. Damals, als 20-Jährige, stand sie im Sommer am Rollfeld und sah zu, wie die Flugzeuge der Amerikaner durch die Luft wirbelten. Sie aß klebriges Eis und manchmal auch Hamburger. "Sie können sich nicht vorstellen, wie gut das geschmeckt hat", sagt Kroll gerührt. "Das war eine wunderbare Zeit." Fast 40 Jahre später steht Kroll vor dem Eingang des Flughafens, es ist dunkel und kalt an diesem Samstag, nur ein paar Kerzen erleuchten die Szenerie. Das stört sie nicht, denn sie ist gekommen, um zu trauern. Um den Flughafen Tempelhof, aber nicht nur.
Zwei Jahre ist es her, dass Tempelhof geschlossen wurde. Eine Erleichterung für viele, die in der Einflugschneise lebten, und für jene, die jetzt den riesigen Park genießen. "Ein schändlicher Tag", findet hingegen Ines Nagl von der Initiative be-4-tempelhof. Denn seitdem verfalle der historische Ort zusehends. Nur der Status eines Weltkulturerbes, geschützt von der Unesco, könne den alten Flughafen erhalten. Am 30. Oktober - dem Jahrestag der Schließung - kommen die Mitglieder von be-4-tempelhof deshalb zusammen und gedenken der Luftbrücke und der Wiedervereinigung. "Ohne Tempelhof hätte es das alles nicht gegeben", sagt Nagl. "Damals lachte noch die Sonne über Berlin."
60 Mitglieder hat die Initiative nach eigenen Angaben, rund die Hälfte ist gekommen. Viele Rentner sind darunter, sie tragende leuchtende Signalwesten und Flugzeuganstecker, um den Hals Schlüsselketten mit der Aufschrift "I love TH". Der Adlerkopf am Platz der Luftbrücke ist geschmückt wie ein Grabstein; schwarze Luftballons wehen über der Statue, am Sockel sind Kerzen entzündet. Aus einer Musikanlage rauschen die letzten Funksprüche aus dem Tower. Es gibt Bohnen- und Kartoffelsuppe, dazu Glühwein, Spekulatius und Kuchen.
Drei Tage lang hat Dorothea Kroll gebacken und gekocht. Sie trägt die rote Mütze einer Stewardesse und hat schwarzen Tüll darum genäht, extra für den heutigen Tag. Sie als Rentnerin könne sich Protest eigentlich gar nicht leisten - finanziell nicht und auch der Gesundheit wegen. "Aber mein Herz hängt an diesem Flughafen", sagt die 59-Jährige.
25 Jahre lebe sie hier direkt um die Ecke. Das Starten und Landen der Flugzeuge hat sie immer begleitet. "Westberlin war mein sicheres Nest", sagt Kroll. "Und Tempelhof gehörte dazu." Und nun werde der Flughafen einfach kaputtgemacht. "So viele historische Orte werden zu lebendigen Denkmälern. Warum kann das hier nicht endlich passieren?"
Seit zwei Jahren kämpft die Initiative deshalb an allen Fronten: Sie demonstrieren, kleben Plakate, sammeln Unterschriften. Seit ein Volksbegehren zum generellen Weiterbetrieb 2008 scheiterte, streitet be-4-Tempelhof vor Gericht. Das Ziel: Tempelhof soll Rettungs- und Ausweichflughafen werden. Wöchentlich trifft sich die Gruppe, schmiedet neue Pläne. "Das tun wir nicht für uns", sagt Dorothea Kroll. "Nur für den Flughafen." Dafür harren sie vor dem Adlerkopf aus, trotz Dunkelheit und Kälte, fünf Stunden lang.
Ab und an hält jemand eine Rede oder es wird ein Grußwort verlesen. Dazwischen löffeln die Demonstranten Suppe und lauschen Frank Sinatras "Fly me to he moon". Ein Punker-Pärchen gesellt sich irgendwann dazu und ein russischer Wissenschaftler - ansonsten bleibt die Gruppe unter sich.
Gegen 22 Uhr fährt eine Polizeistreife vorbei und mahnt, langsam zum Ende zu kommen. Die Demonstranten leisten bereitwillig Folge. Die schwarzen Luftballons werden abgenommen, die Grabkerzen ausgeblasen. Der letzte Glühwein fließt in die Pappbecher. Eine schöne Feier sei das gewesen, findet Dorothea Kroll.
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