Einsamkeitsstudie in Berlin: Wer fühlt sich einsam?
Die Einsamkeitsbeauftragte in Berlin-Reinickendorf hat eine Karte mit Betroffenen erstellt, um sie mit Angeboten besser zu unterstützen.
Laut Bezirksamt wurde die Studie zunächst bei Senior:innen begonnen. In Reinickendorf wohnen die meisten älteren Menschen der Hauptstadt. Mindestens 26.600 Reinickendorfer:innen fühlen sich einsam. Obwohl sich Einsamkeit durch alle gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen zieht, sind Menschen über 60, auch wegen zunehmender Altersarmut, besonders betroffen. Seit dem 1. Februar hat der Bezirk deshalb eine Einsamkeitsbeauftragte. Auf Verwaltungsebene ist die Stelle einzigartig in Deutschland.
Wo fehlen Angebote?
Auf der Karte wird ersichtlich, dass die meisten Senior:innen ab 80 Jahren im Märkischen Viertel, in Frohnau West und in Alt-Tegel wohnen. Die Einsamkeitsbeauftragte Paris vergleicht diese Zahlen mit den Standorten, an denen es bereits Angebote gegen Einsamkeit gibt, wie etwa Seniorenfreizeitstätten und andere soziale Treffpunkte. Die Analyse soll dazu beitragen zu lokalisieren, wo Angebote fehlen und welche Maßnahmen für ein bessere Unterstützung notwendig sind.
Eines dieser Angebote sind sogenannte Quasseltreffs in Form von Sitzbänken, die Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) Anfang Mai enthüllte. Insgesamt sollen langfristige Strukturen geschaffen werden, die einsame Menschen stärken. „Eine Datenbank, mehrsprachige Angebote, Fachforen und Öffentlichkeitsarbeit sind weitere Ziele“, so Demirbüken-Wegner. Außerdem will der Bezirk mit bestehenden Initiativen zusammenarbeiten und die Vernetzung vorantreiben.
Erhöhtes Sterberisiko
Die Gründe für Einsamkeit können vielschichtig sein. Theresa Entringer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin war an Einsamkeitsstudien beteiligt und sagt, dass neben älteren Menschen auch Personen um die 30, Arbeitslose, Menschen mit geringem Einkommen und Geflüchtete besonders betroffen sein können. Zu den Ursachen gehörten unter anderem unbefriedigende soziale Beziehungen, schwere Erkrankungen, Wegzug der Kinder, verschlossene Persönlichkeitsstruktur und Armut.
Die negativen Folgen für die Betroffenen sind weitreichend. „Höhere Risiken für psychische Erkrankungen wie Depression und Angst, aber auch Sucht, höhere Suizidraten, höhere Risiken für physische Erkrankungen, Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes, verkürzte Lebenserwartung und erhöhtes Sterberisiko bei chronisch einsamen Menschen“, sagt Entringer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku