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EinkommenArm ist nicht gleich arm in der EU

Jeder siebte Bundesbürger ist von Armut bedroht. Die Schwelle in Deutschland ist allerdings fast viermal so hoch wie in Lettland und auch weit höher als in anderen EU-Ländern.

In Deutschland gilt nicht nur er als armutsgefährdet. Alle, die weniger als 913 Euro im Monat zur Verfügung haben, gelten hier als "arm". Bild: dpa

BERLIN taz | In Deutschland ist fast jeder siebte Bundesbürger arm oder von Armut bedroht. Das Einkommensgefälle zu den EU-Beitrittsländern bleibt trotzdem groß. Das geht aus Zahlen der sogenannten EU-SILC-Befragung hervor, die das Statistische Bundesamt am Donnerstag präsentierte.

In der EU-SILC-Erhebung ermittelten die Forscher die sogenannte Armutsschwelle, das sind 60 Prozent des mittleren Einkommens eines Alleinstehenden in einem Land. Wer unter diesen nationalen Werten liegt, gilt als armutsgefährdet. Nach den jüngsten Zahlen von 2008 - neuere Werte gibt es nicht - waren in Deutschland 15 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet, im Durchschnitt der EU-Länder hingegen 17 Prozent. Der Wert für Deutschland ist im Vergleich zum Jahre 2007 gleich geblieben.

Die Verteilung der Armut über die Altersgruppen sagt etwas über den sozialen Ausgleich aus: In Deutschland sind nur 15 Prozent der über 65-Jährigen arm oder von Armut bedroht, in Irland hingegen 21 Prozent, in Lettland sogar jeder zweite Bürger im Rentenalter.

Die national festgelegten Armutsschwellen offenbaren jedoch sehr unterschiedliche Verdienstniveaus. So gilt in Deutschland als armutsgefährdet, wer als Alleinstehender weniger als 913 Euro im Monat zur Verfügung hat. In Lettland hingegen fällt aufgrund des niedrigen nationalen Durchschnittseinkommens unter diese Grenze schon, wer nur umgerechnet 241 Euro monatlich ausgeben kann. Im Jahre 2006 hatte die Schwelle in Lettland noch bei 127 Euro gelegen.

Die mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer holen laut Statistik auf, aber nur sehr langsam. Das Gefälle ist bedeutsam, da sich ab 1. Mai kommenden Jahres Arbeitnehmer aus diesen EU-Beitrittsländern frei auf dem hiesigen Jobmarkt bewegen können.

Aber auch in den Ländern, die den Euro als Währung haben, gibt es erstaunlich starke Differenzen. In Griechenland etwa liegt die Armutsschwelle bei 540 Euro. In Irland hingegen gilt erst als armutsgefährdet, wer weniger als 1.146 Euro im Monat zur Verfügung hat. Rechnet man die unterschiedlichen Preisniveaus heraus, verringern sich die Gefälle etwas. Dann gelten in Lettland 367 Euro, in Deutschland 885 Euro im Monat als die Einkommensgrenze, unter der Armut beginnt.

Die Versorgung mit Konsumgütern fällt dabei regional sehr unterschiedlich aus. So kann sich in Griechenland und Irland laut der Erhebungen durch Eurostat fast jeder Zehnte, in Deutschland nur jeder Zwanzigste kein Auto leisten. Während allerdings in Deutschland jeder Neunte aus Geldgründen jeden zweiten Tag auf eine fleischhaltige Mahlzeit verzichtet, ist das in Griechenland nur jeder 14. Bürger, ergaben die Befragungen.

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4 Kommentare

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  • J
    JoelMeir

    Alle sollten auf Fleischhaltige Mahlzeiten verzichten.

     

    Das entspannt den Geldbeutel, schont das Gesundheitssystem, erhöht die Lebensqualität und trägt zum verschwinden der Shizoprenen Einstellung bei, das man "Nutztiere" tötet und Haustiere bis zum Tod begleitet.

     

    Armut wird nicht an der Möglichkeit der Ernährung gemessen, sondern an den Möglichkeiten die jemand hat zum Arzt zu gehen, ein Gesundes Gebiss zu haben, sich einen Friseur zu leisten, seinen Kindern Schülbücher kaufen zu können.

     

    Es ist keine Armut, abends mit einem leicht hungrigen Magen schlafen gehen zu können, sondern es ist Armut Ihn nicht am MOrgen beim Frühstück wieder füllen zu können.

  • A
    avelon

    Hmm ... ´nur´ 15 Prozent

     

    der über 65jährigen in D sind arm oder von Armut bedroht. Das sind 15 Prozent zu viel, wie in allen anderen EU-Ländern, jeder arme alte Mensch einer zu viel ist.

     

    So lange die politischen feudal-dekadenten Kasten sich nicht um die Schwächsten im Lande kümmern, Altersarmut zulassen und lieber Staatsgelder in Prunkbauten und Prestigeobjekte stecken, der Bevölkerung den Gürtel enger und enger ziehen und selbst in Saus und Braus leben, sind sie keine Volksvertreter sondern Volksverachter und somit nicht wählbar.

  • M
    manni

    Das bedeutet also, dass es in Deutschland in allen Branchen bis Ende April 2011 Mindestlöhne geben muss. Ansonsten werden niedrige Einkommen durch größere Konkurrenz am Arbeitsmarkt weiter sinken.

    Mit der aktuellen Regierung wohl kaum zu erreichen.

  • K
    kassandro

    angesichts der griechischen krise und des dort begonnenen aufstandes der armen und verarmenden, wird hierzulande beschwichtigend und vergleichend am begriff armut herum-definiert.und warum wird nicht einmal der komplementäre reichtumsbegriff u. sein realitätsbegriff genauso kritisch unter die lupe genommen? allgemeine antwort vorweg: unsere armen hier müssen über ihr los beruhigt werden...

     

    wie heißt es von denen, die sich in luxurierender position über die proteste gegen armani-schröders und villenbesitzer fischers sozial-deformen mokieren:

     

    diese leute protestieren gegen armut, aber auf einem hohen niveau- d.h. ihre "armut" ist ja läppisch und eigentlich gar keine und "spd-krawallschachtel" sarrazin wäre auch gern arm: er würde jederzeit für 5 euro die stunde schuften, ehrlich! na dann isses ja gar nicht so schlimm mit der armut hierzulande..

     

    tatsache ist: die schere zwischen reich und arm öffnet sich in allen eu-ländern immer weiter - d.h.all diese kapitalistischen systeme zerreißen innerlich allmählich in einen harten kern von verreichten und eine wachsende menge von verarmten. - karl heinz roth nennt diese "unterklassen". auch der begriff ist wieder definitionsabhängig und kann reichengerecht verhunzt werden.

    die wachsende reichtums- und kulturasymmetrie indiziert den rasanten inneren zerfall der eu-kapitalistischen monster-gesellschaften.

    den versuchen die machteliten propagandistisch zu kitten - etwa durch volks-einheitsbildende nationalistische parolen, hetze gegen minderheiten usw., ideologische veranstaltungen wie die kommende fußball-wm etc. kriegspropaganda u. -führung: innenpolitisch jede opposition dagegen mundtot machend(merkel"deutschland verneigt sich vor den gefallenen" )

     

    hält solch kapitalistischer uhu den sozialantagonistischen zerfall nicht auf, werden andere saiten aufgezogen, notstandsgesetze hat sich die brd-machtelite schon längst besorgt. dazu sagte einst wohnungsbauminister lücke ehrlich, wenn die schöne wirtschaft einmal wackele, brauche man diese gesetze- scil. zur machterhaltung der machteliten und zur unterdrückung der wie auch immer "relativ" armen und verarmten-

     

    und nietzsche erkannte hellseherisch: die moral sei von den reichen gemacht, um die armen in ihrer armut zu erhalten.

    stimmt nicht nur für die moral, sondern für die gesamte insm-propaganda zur verpflichtung der armen auf ein vordergründiges allgemeinwohl. dieses müßte in wahrheit heißen: gemeines wohlbefinden der kleinen masse der nationalen und internationalen reichen auf kosten der immer riesiger werdenden masse der weltarmen. und dies, obwohl schon jetzt ein unvorstellbarer s t o f f l i c h e r weltreichtum existiert, von dem letztere ausgeschlossen sind. das ist änderbar....