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Einjahresverträge für DoktorandenForschen nur mit Frist

Die Mehrheit der Doktoranden an Universitäten arbeitet laut einer neuen Studie mit Einjahresverträgen. Kritik kommt von Gewerkschaften.

Darf nicht ewig rumtüddeln: Junger Forscher. Bild: iotas/photocase.com

BERLIN taz | Junge Wissenschaftler müssen sich mit befristeten Verträgen von immer kürzerer Dauer abfinden. Über die Hälfte der Doktoranden an Hochschulen und anderen Einrichtungen sind mit Arbeitsverträgen von weniger als einem Jahr beschäftigt. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) hervor, das im Auftrag des Bundesforschungsministeriums die Auswirkungen des 2007 eingeführten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes untersucht hat.

Das nach der Föderalismusreform entstandene Gesetz erlaubt als Sonderarbeitsrecht für Wissenschaftler, Verträge für die Dauer von sechs Jahren vor und sechs Jahren nach der Promotion zu befristen. Wird eine Stelle zu mehr als zur Hälfte durch Drittmittel (also von hochschulfremden Auftrag- und Geldgebern) finanziert, kann sie auch danach weiter befristet werden.

Das Gesetz sollte in einer zunehmend von zeitlich befristeten Forschungsprojekten geprägten Wissenschaftslandschaft den flexibleren Einsatz von Forschern erlauben, diesen aber auch Beschäftigungsperspektiven eröffnen. Mittlerweile sind über 80 Prozent der Mittelbauangehörigen befristet beschäftigt - Tendenz steigend.

Für das Ministerium hat sich das Gesetz nach der jetzt vorliegenden Evaluation dennoch "grundsätzlich bewährt", so die Behörde. Auch die Mehrheit der befristet Beschäftigten hält ihre Situation laut der HIS-Studie für "auskömmlich" - vorausgesetzt, sie haben neben ihrer Tätigkeit genug Zeit, sich ihrer eigenen Promotion oder Habilitation zu widmen. Die Arbeitgeber finden das Gesetz mehrheitlich "leicht handhabbar".

Kritik kommt von Gewerkschaften. "Dem Ministerium fehlt das Bewusstsein für die Probleme wissenschaftlicher Beschäftigter", sagte Matthias Neis von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di der taz. Das Gesetz habe es nicht vermocht, "jungen Wissenschaftlern Perspektiven zu eröffnen". Neis sieht Handlungsbedarf und fordert, "so schnell wie möglich Mindestlaufzeiten für Verträge einzuführen".

Mittelfristig solle die Tarifsperre, die Arbeitgebern und Gewerkschaften untersagt, vom Gesetz abweichende Regeln zur Befristung von Arbeitsverträgen zu treffen, abgeschafft werden. Und langfristig müsse "das System vom Kopf auf die Füße gestellt werden". Wer Daueraufgaben wahrnehme, für den müsse auch Dauerbeschäftigung gelten.

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2 Kommentare

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  • MM
    Mad Man Talking

    Ich bin jetzt seit 15 Jahren als Wissenschaftler und Dozent an der Uni, bin momentan sogar im Rennen um eine Professur und bin an einer großen Uni Vertretungsprofessor. Und dennoch: Ich versuche seit letztem Jahr vehement den Ausstieg, schule noch mal völlig um (parallel zu meinem derzeitigen Job an der Uni), trotz großer Kosten, trotz Statusverlust usw. Die Zustände an deutschen Unis sind nur noch etwas für sehr leidensfähige Akademiker. Die Rahmenbedingungen sind oftmals nur noch als grotesk zu bezeichnen, weil sie sehr viel Zeit und/oder wenig Ertrag erbringen (z.B. akad. Selbstverwaltung, immer aufwendigere Studentenbetreuung, mäßige Personalausstattung, Budgetkürzungen, immer mehr Bürokratie). Darüber hinaus muten externe Faktoren wie die Vergabe von Drittmitteln (z.B. DFG) dermaßen seltsam an, dass ohne Beziehungen und Klüngel es mittlerweile sehr schwer wird, selbst mit Topforschung positiv begutachtet zu werden.

    Zuguterletzt erscheint es völlig überzogen, dass nach langer Ausbildungszeit neue Professoren erst jahrelang mit einer Probezeit bedacht werden, das Gehalt in etwa das eines Lehrers entspricht (wobei der Lehrer schon mit ca. 30 Jahren ein vergleichbares Gehalt bekommt als der Professor) und die Arbeitszeiten kaum weniger als 50-60 Stunden/W betragen. Deutschland schafft sich ab: Dieser Satz war noch nie so richtig wie heute. Aber nicht durch ein paar Muslime, sondern vor allem durch ein Hochschschulbildungssystem, dass rasant heruntergewirtschaftet wird. Ich wüsste selbst bei einem Ruf auf eine Professur nicht, ob ich diese noch annehmen würde, so entsetzt bin ich mittlerweile über die Zustände.

  • F
    fhirsch

    Das tollste ist, wenn von dem einen Jahr noch drei Monate für das Schreiben eines Verlängerungsantrages draufgehen, der dann wieder umständlich begutachtet werden muss. Sehr effizient, das.