schröder/fischer
: Eingebunden und entmachtet

Wenn im politischen Berlin eine Männerfreundschaft so voll erblüht ist, dass der eine vom anderen nicht mehr lassen mag – spätestens dann gibt es gute Gründe, an der tiefen wechselseitigen Verbundenheit zu zweifeln. Im Allgemeinen hat nämlich der eine durch derlei öffentliche Bekundungen einiges zu gewinnen und der andere viel zu verlieren. So war es im Fall von Gerhard Schröder und seinem inzwischen abhanden gekommenen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine, so ist es jetzt bei der Ankündigung, dass Bundeskanzler und Außenminister gemeinsam als Winnetou und Old Shatterhand der nächsten Bundestagswahl 2006 entgegenreiten wollen. Schröder ist ein echtes Kabinettstück gelungen. Er hat Joschka Fischer eingebunden und zugleich entmachtet. Chapeau.

Kommentar von BETTINA GAUS

Anders als sein Außenminister hat der Bundeskanzler keine reizvolle berufliche Perspektive. Was könnte er denn tun – Rosen in Hannover züchten? Sich bei VW bewerben? Eben. Außerdem gibt kein Regierungschef den Stab freiwillig ab, solange das positive Bild in den Geschichtsbüchern nicht festgeschrieben ist. Davon kann bei Gerhard Schröder keine Rede sein. Will er seine Wahlchancen verbessern, dann braucht er die Unterstützung des populärsten Politikers der Republik. Oder soll er um Guido Westerwelle werben?

Der Bundeskanzler ist ein begabter Stratege der Macht. Als Profi weiß er natürlich, dass den frühen Vogel die Katze holt, eine lange Personaldebatte also für aussichtsreiche Bewerber eher schädlich als nützlich ist. Er war es, der im Mai die Diskussion über einen möglichen europäischen Außenminister Joschka Fischer aus den Kulissen heraus und auf die offene Bühne geholt hat. Mit vorhersehbarem Ergebnis: In Brüssel zeigten auch andere Vögel wie beispielsweise der EU-Außenbeauftragte Javier Solana ihre schönen Federn, und in Berlin galt Fischer als Minister auf Abruf. Also als geschwächt.

Diese Entwicklung mag Schröder durchaus angenehm gewesen sein. Wie fast alle seine Vorgänger findet er allmählich Geschmack an der Außenpolitik, und es ist kein Zufall, dass er im September persönlich nach New York reisen will. Der Kanzler dürfte es außerdem erfreulich finden, dass die personelle Unberechenbarkeit der Union durch seine Ankündigung ein weiteres Mal betont wird. Dafür hat er Joschka Fischer zur Blutsbrüderschaft gezwungen. Der allerdings schweigt bislang, auch er ein gewiefter Machtpolitiker. Es bleibt also spannend.

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