■ Einfach abgedreht: Bayern ohne ORF1
München (taz) – Gestern begann das große Jaulen vor bayerischen Fernsehgeräten: „Kommissar Rex, komm zurück! Ohne Werbung! ORF1! Bei Fuß!“ Es half alles nichts, da ging er hin, auf Nimmerwiedersehen. Na ja, hinüber nach Sat.1, und glaubt man den Zornesäußerungen mancher ORF-Fetischisten, dann ist das für sie gleichbedeutend mit einer Absetzung. Denn diesen Sender wollen sie niemals einschalten, überhaupt keine Privatsender mehr, sind diese doch in ihren Augen schuld daran, daß jetzt nur noch wenige den ORF1 bequem und werbefrei genießen können.
Vorausgegangen war eine Drohung deutscher Sender, die Rechte für Filme und Sportübertragungen künftig auch für Österreich zu erwerben, sollte der ORF1 ihnen weiter im süddeutschen Raum durch gleichzeitige, werbefreie Ausstrahlung Zuschauer abgraben. Also drosselten österreichische Fernsehtechniker ab Mittwoch gnadenlos die terrestrische Sendeleistung im Grenzgebiet, und weil der ORF nicht im Kabel sein darf, wenn er nicht durch die Luft zu uns kommen darf, glotzt der Schreiber dieser Zeilen nun auf ein Testbild der Telekom Olching.
Derweil regt sich auch in der Politik Protest. Gerard Zacher, CSU- Chef im Deggendorfer Stadtrat, müßte kraft seines Parteibuches eigentlich die kommerziellen Interessen und Hintergründe des ORF- Rückzuges verstehen, bequemer findet er es aber offenbar, auf den rasenden Volkszorn-Expreß aufzuspringen. Durch den bedauerlichen, aber leider dem lauteren Wettbewerb entsprechenden Vorgang fühlt er sich an „die Zeiten des kalten Krieges erinnert“. Es könne nicht angehen, daß in Europa ein EU-Land gegenüber einem anderen seine Sender abschirme, wenn andererseits die „Krümmung der Gurken“ vorgeschrieben werde. Er fordere den „sofortigen Wiederanschluß Österreichs“ an das deutsche Kabelnetz. Nein, letzteres ist nicht von ihm, vielmehr eine Anregung, wie auch der folgende Gedanke: Warum stellt sich Herr Zacher (CSU) nicht am kommenden Mittwoch auf einen zentralen Platz in seiner schönen Stadt Deggendorf und jault den Mond an? Wäre doch ein schöner Ersatz für „Kommissar Rex“. Stefan Kuzmany
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen