: Einer lügt - aber wer?
■ Rau geht gegen Krupp–Chef Cromme zum Angriff über / Von der taz veröffentlichte Äußerungen bestritten
Die taz–Veröffentlichung vom Samstag schlägt hohe Wellen. Die Rheinhausener haben Ministerpräsident Rau gestern in Düsseldorf zur Rede gestellt. Der dementierte die Äußerung, die Krupp–Chef Cromme ihm zuschrieb (“Macht es möglichst schnell“). Rau fühlt sich von Cromme „verleumdet“. Krupp dagegen hüllt sich in Schweigen, auch, als die taz nachbohrt. Lediglich eine Pr
Das Wichtigste geschah zum Schluß. Ministerpräsident Johannes Rau, von einem Journalistenpulk so umzingelt, als habe er soeben eine Wahl gewonnen, verließ gestern vormittag das Düsseldorfer Landtagsgebäude und sprach zu denen, die von ihm nur eines wollten: ein glasklares Dementi der in der taz dokumentierten Cromme–Äußerungen. Und Rau, der in der Rgel ohne jede Schärfe und Direktheit formuliert, lieferte jetzt, was er am Wochenende seinen Sprechern nicht gestattet hatte. Die Aussage von Cromme, die Landesregierung habe am 7.1. den Stahlmanagern nahegelegt, die Schließung „möglichst schnell“ durchzuziehen, sei „völlig falsch“. Das Gespräch habe „einen gegenteiligen Charakter gehabt“. Ein paar Dutzend der etwa 1.000 Stahlarbeiter applaudierten schon hier, und als Rau dann von den „verleumderischen Äüßerungen“ des Krupp–Chefs Gerhard Cromme „vom vergangenen Samstag“ sprach, rührten sich noch ein Paar Hände mehr. Richtig überzeugt schienen die Stahlkocher nicht. „Ich habe“, so Rau weiter, „am 7.1. gesagt: Wenn Sie glauben, daß der Bundeskanzler oder ich am 24. Februar (bei der „Ruhrkonferenz“, d. Red.) ein O.k geben dazu, zu ihren Unternehmensentscheidungen, dann irren Sie sich.“ Er sei bitter enttäuscht, aber dennoch will er jenem Krupp– Chef, von dem er sich „verleumdet“ fühlt, nun auffordern, mit dem Betriebsrat in ein neues Gespräch über Rheinhausen einzusteigen. Er will seine „guten Dienste“ zur Vermitlung anbieten, denn „für die Arbeitnehmer in Duisburg werde ich mich mit jedem an einen Tisch setzen“, obwohl er „überhaupt nicht weiß, ob beide gesprächsfähig sind“. Dann ist die kurze Rede beendet, die Männer gucken skeptisch, aber nicht unzufrieden. Da Cromme sie schon mehrmals belogen und unterschriebene Vereinbarungen gebrochen hat, kaum daß die Tinte trocken war, trauen sie dem eh jedes Schurkenstück zu. Während der Betriebsratsvorsitzende Manfred Bruckschen nach dem Rau– Auftritt „keinerlei Zweifel“ mehr hat und den Rücktritt von Cromme fordert, fällt die Stellungnahme seines Stellvertre ters Theo Steegmann doch merklich kühler aus. „Wir haben das zur Kenntnis genommen“, sagt Steegmann, „und gehen davon aus, daß die Rau–Aussagen glaubwürdig sind.“ Jetzt seien „Cromme und der Mannesmann– Chef Liestmann am Zug. Die Belegschaft ist ganz gespannt, was sich da noch tut.“ Es gehe jetzt darum, daß Crommes Plan, den Aufsichtsrat am 2. Mai die Stillegung beschließen zu lassen, vom Tisch komme. Steegmann: „Mit dem Messer in der Brust kann man nicht verhandeln.“ Gestern morgen sah es zunächst so aus, als sei der SPD–Gegenschlag mit guten Argumenten gefüttert. In der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) stand zu lesen, daß bei der Landesregierung eine „Mitschrift“, ein „offizielles Protokoll“ über das Treffen vom 7.1. existiere. Rau habe, so die WAZ weiter, zu Cromme laut Protokoll wörtlich gesagt: „Sollten Sie sich einbilden, daß Sie jemals politische Unterstützung bekämen für ihre Stillegungspläne, dann irren Sie sich gewaltig. Und ich warne Sie sogar vor der Illusion zu glauben, die Bundesregierung unterstütze Sie. Da werden Sie bei der Ruhrkonferenz ihr blaues Wunder erleben.“ Als mehrere Journalisten allerdings gestern von der Landesregierung dieses einmalige Entlastungsdokument sehen wollten, war keine Mitschrift da. Peer Steinbrück, Büroleiter von Rau, erklärte klipp und klar, eine solche Mitschrift, ein Protokoll oder auch nur Aufzeichnungen aus der fraglichen Sitzung existierten nicht. Der zuständige WAZ–Redakteur, von der taz befragt, mochte sich nicht äußern. Ein Protokoll liegt offensichtlich auch der WAZ nicht vor. Die schriftliche „Überführung“ von Cromme war geplatzt. Entscheidungskampf In Rheinhausen hatte die Nacht zum Sonntag in bekannter Manier begonnen, und dennoch war alles ganz anders. Koksöfen, Kaffeekannen, Fackeln, Autokorso und Stahlkocher mit fortwährend piepsenden Sprechfunkgeräten hat man hier schon so manche Nacht erlebt, aber in dieser Nacht schienen alle ein wenig entschlossener. Ein Hauch von Entschei dungskampf lag in der Luft. Deshalb ist auch damit zu rechnen, daß, sofern es die technischen Anlagen zulassen, die Arbeitsverweigerung über den 12. April hinaus dauern wird - es sei denn, der Krupp–Vorstand lenkt ein. In dieser Nacht jedenfalls schaffen es die Stahlarbeiter, erneut einen Zahn zuzulegen. In Düsseldorf angekommen, werden erst mal die Koksöfen angeworfen - die Werksfeuerwehr bringt den Koks immer gleich mit -, und ein flinker Sprüher verziert den Bürgersteig direkt gegenüber dem Landtagseingang: „Herr Rau, keine Cromme Sachen“. Die Bannmeile, in der Demonstrationen jeder Art sonst mit Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten geahndet werden, gilt in dieser Nacht ebensowenig wie die Straßenverkehrsordnung. Wenn die Rheinhausener, begleitet von ein paar grün– und zivilgekleideten Polizisten, losfahren, dann haben rote Ampeln keine Bedeutung. Am Morgen, nach Eintreffen der Frühschicht, geht es dann zur Sache. Im Nu sind drei zentrale Verkehrsknotenpunkte besetzt, und der Düsseldorfer Stadtverkehr, schon im Normalfall eher eine schleichende Angelegenheit, bricht in weiten Teilen zusammen. Die Blockierung der Rheinkniebrücke führt zu Rückstaus von fast acht km Länge. Die Polizei versucht weiträumig umzulenken, und dennoch werden die Verkehrsnachrichten immer länger. Dann um 10 Uhr, viele Düsseldorfer Autofahrer sind total sauer, stört einen jungen Mann dabei vor allem dies: „Warum nur wir, wenn schon, dann macht ganz Düsseldorf zu!“ Die Polizei schaut brav zu, damit ist das Ziel der Aktion erreicht. Johannes Rau kommt, um mit ihren Vertretern zu sprechen, und eine Stunde später geht es zurück zur Hütte. Walter Jakobs
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