: Einer für die Geschichtsbücher?
BOXEN Arthur Abraham hat Jermain Taylor zum Auftakt des sogenannten Super-Six-Turniers durch K. o. bezwungen. Jetzt will er auch noch ein ganz Großer werden
TRAINER ULI WEGNER
AUS BERLIN MARTIN KRAUSS
Uli Wegner hatte einen roten Kopf, eine Flasche Bier in der Hand und wusste noch nicht so recht, was in ihm vorging. „Ich bin eigentlich zufrieden“, sagte der Boxtrainer nach dem K.-o.-Sieg seines Schützlings Arthur Abraham über den Amerikaner Jermain Taylor in der Nacht zum Sonntag. Und kurz später lobte er Abraham euphorisch: „Er hat so schnell geschlagen, dass ich es gar nicht sehen konnte.“
Was der 29-jährige Abraham vor 14.000 Zuschauern in der ausverkauften Berliner O2-Arena leistete, könnte ein großer Schritt zur großen Boxgeschichte sein. Der Sieg des Deutscharmeniers über den 31-jährigen Amerikaner, der einmal die WM-Titel aller vier wichtigen Verbände hielt, geschah nämlich zum Auftakt der Super Six World Boxing Classics, eines Turniers, das das Boxen verändern kann.
Der US-Fernsehsender Showtime und der deutsche Boxpromoter Sauerland taten sich zusammen, um die sechs besten Supermittelgewichtler den wirklich besten Kämpfer ermitteln zu lassen. Drei europäische Boxer – neben Abraham noch der Däne Mikkel Kessler und der Engländer Carl Froch – sowie drei Amerikaner – neben Taylor noch Andre Ward und Andre Dirrell – treten in drei Gruppen gegeneinander an: Für ein Unentschieden bekommen die Kämpfer einen Punkt, für einen Punktsieg zwei, und Arthur Abraham, dem sechs Sekunden vor Schluss des Kampfes noch der K.o. gelang, erhält dafür drei Punkte.
Damit ist er Tabellenführer vor Carl Froch, der ebenfalls in der Nacht zum Sonntag im englischen Nottingham Andre Dirrell umstritten nach Punkten bezwang. Der Modus des Super-Six-Turniers sieht vor, dass es, nachdem jeder Boxer dreimal gekämpft hat, zum Halbfinale kommt – und dann im Sommer 2011 zum Finale. Dort wird dann im Supermittelgewicht ein Weltmeister gesucht, den jüngere Boxfans nur noch aus Erzählungen kennen: der unbestrittene Champion seiner Gewichtsklasse.
Auf dem Weg dorthin hat Arthur Abraham grandios vorgelegt. Schon bald dominierte er Taylor im Ring, gewiss den erfahrensten Kämpfer des Turniers. Und in der 12. Runde, kurz vor Schluss, hatte er den Amerikaner dann so weit. „Die letzten zweieinhalb Minuten habe ich mich locker gemacht und die Lücke gesucht. Und, bum, habe ich zugehauen.“ Taylor blieb eine Weile benommen auf dem Boden liegen, und als er wieder auf den Beinen war, konnte er nur in kurzen Sätzen seinen Gegner loben: „Er hat einen harten Punch. Er ist ein großer Fighter.“ Dann ging es ab ins Krankenhaus.
Abraham tritt im Rahmen des Turniers als nächstes im Januar in den USA gegen Andre Dirrell an – der gerade nach Punkten Carl Froch unterlag. Das Risiko, das Abraham und sein Trainer Wegner mit dem Super-Six-Turnier eingehen, ist groß. Abraham gab seinen WM-Titel im Mittelgewicht an den Verband IBF zurück, um sich in der höheren Klasse an besseren Boxern zu versuchen. Die Chance, die er sucht, ist: auf dem US-Boxmarkt groß rauszukommen. „Ich will den Titel, einen großen Kampf wie Sugar Ray Leonard, Floyd Mayweather und Oscar de la Hoya“, so Abraham.
Dafür ist das Super-Six-Turnier Abrahams große Chance, denn statt der Interessen der Verbände, die meist in der Hand einzelner Promoter sind, die wiederum oft Exklusivverträge mit Fernsehsendern haben, steht bei Super-Six tatsächlich das Boxen im Mittelpunkt. Fast zumindest. „Wir haben die Kämpfer ausgesucht, die in den wichtigsten Märkten USA und Europa das größte Interesse hervorrufen“, sagt Kalle Sauerland, Sohn des deutschen Promoters Wilfried Sauerland und auf europäischer Seite treibende Kraft des Turniers.
Die Überlegung, nur attraktive Boxer einzuladen, hatte zur Folge, dass die aktuellen Weltmeister der IBF und der WBO, der Rumäne Lucian Bute und der Deutsche Robert Stiegler (Magdeburg) draußen bleiben müssen. Daher wird der Sieger des Turniers auch nur Weltmeister der Verbände WBC und WBA sein – allerdings dürfte der Wert der beiden anderen Verbände dann arg ramponiert sein. Die Konzentration auf Europa und USA hat aber auch zur Folge, dass gute Supermittelgewichtler wie der Mexikaner Librado Andrade oder der Kameruner Sakio Bika nicht vertreten sind.
Arthur Abraham kann all das gleichgültig sein. Er hat gewonnen und seinen Trainer in Gefühlswallungen versetzt. „Ich war heute so begeistert, dass und wie er gewonnen hat“, erzählte ein sichtlich geschaffter Uli Wegner nach dem Kampf. „Ich muss jetzt erst mal ein Bier trinken und morgen ausschlafen.“