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Eine gelungene Einleitung

■ betr.: "Die Polizei und einige linke Verlogenheiten" von Klaus Eschen, taz vom 29.5.92

betr.: »Die Polizei und einige linke Verlogenheiten« von Klaus Eschen, taz vom 29.5.92

Sehr geehrter Herr Eschen, soeben stelle ich fest, daß Sie sich in der taz als Märchenonkel betätigt haben. Das ist schön; ich mag keine langweiligen Verfassungsrichter, die nur des Juristendeutschen mächtig sind.

»Während der Hausbesetzerzeiten, als nach dem Tod von Jürgen Rattay in der Potsdamer Straße Randale war, versuchten auch einige Zuhälter, eines der besetzten Häuser zu stürmen. Die bedrängten Besetzer, sofern sie nicht gerade auf der Straße Steine warfen, riefen die Polizei, die dann kam, sofern sie nicht gerade auf der Straße knüppelte, und schützte die Besetzer, die heilfroh waren, daß die Polizisten draußen bereit waren, sie vor den Zuhältern zu schützen.« Ohne Zweifel, eine gelungene Einleitung.

Herr Eschen, in der Pohlstraße 61, wo sich der Vorfall zutrug, habe ich dreieinhalb lange schöne verfluchte Jahre gewohnt und bin deshalb sicher, daß sich alles fast so zutrug wie von Ihnen berichtet. Allerdings haben diese Zuhälter den Sturm auf das Haus nicht versucht, sondern ausgeführt, und die von Ihnen als Retter in der Not geschilderten Polizisten standen an der Ecke und sahen feixend zu. Zum Anruf bei der Polizei kam es nach der Feststellung, daß alle Besetzer-Hotlines wirkungslos waren: Der Bereich um das Haus wurde von der Polizei gegen alle Unterstützer wirkungsvoll abgesperrt. Und weil kriminelle Amateurfunker damals Bandaufzeichnungen anfertigten, lernten wir später, daß der Einsatzbefehl der Notrufzentrale damit beantwortet wurde, daß in unserem Hause alles ruhig sei.

Als brave Bürger aus Nachbarhäusern, von Schreien aufgeschreckt, ebenfalls den Notruf wählten, erfolgte dann Ihr Polizeieinsatz, bei dem eine Schar mit Äxten bewaffneter Zuhälter freundlich hinausgeleitet und das Haus von Besetzern geräumt wurde.

Insgesamt war der Ablauf so, daß einige von uns sich entschlossen, das Gespräch mit dem lokalen Zuhälterfürsten zu suchen. Dies erwies sich als effektiv, weil ein ungestörtes Geschäft seine wichtigste Sorge war.

Soviel zu Ihrer kleinen Geschichte. Sicher hat es Ihnen viel Spaß gemacht, sie niederzuschreiben, und Sie wissen nun, welchen Versuchungen die Mitarbeiter der 'Bild‘- Zeitung tagtäglich ausgesetzt sind. Hans-Joachim Zierke,

freischaffender Journalist, Berlin

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