■ Eine berühmte Sicherheitsfirma bekam wieder Besuch:: Das große Dings bei Brinks
Dublin (taz) – Bei dem Streit im Dubliner Parlament, der seit einer Woche tobt, geht es um den größten Raubüberfall in der irischen Geschichte: Eine vermutlich achtköpfige Bande hatte die internationale „Sicherheitsfirma“ Brinks vor neun Tagen um knapp drei Millionen Pfund (rund sieben Millionen Mark) erleichtert. Innerhalb von vier Minuten war alles vorbei.
Während der Begleitschutz – zwölf Soldaten und zwei Polizisten – einem Geldtransporter am Tor des Brinks-Geländes in Nord- Dublin noch nachwinkte, lauerten die Gangster bereits in zwei gestohlenen Jeeps auf einem Feld hinter dem Gebäude. Sie hatten in den vergangenen Wochen gute Vorarbeit geleistet: Um über zwei Gräben zu gelangen, hatte man behelfsmäßige Brücken aus Eisenbahnbohlen und Stahlblechen gebaut, den Zaun gelockert und die davor wachsenden Brombeerbüsche beschnitten, so daß sie wie eine Gardine weggezogen werden konnten. Die Umladeaktion – zwei Brinks-Angestellte mußten die siebzig roten Geldsäcke in die Jeeps werfen – wurde von den Sicherheitskameras genauestens aufgezeichnet, doch die Gauner trugen Masken.
Die Polizei glaubt dennoch ihre Identität zu kennen. Es soll sich um eine Nord-Dubliner Bande handeln, deren Anführer als „Mastermind der Unterwelt“ gilt, seit die IRA im vergangenen August den Gangsterkönig Martin Cahill – alias „Der General“ – vor seinem Dubliner Haus erschossen hat. Die „Marino-Millionäre“, wie die acht Nord-Dubliner seit dem Überfall im Dubliner Stadtteil Marino heißen, bei dem sie 1987 mehr als 1,5 Millionen Pfund erbeuteten, sollen vor drei Jahren einen ausgeklügelten Plan für einen Bankeinbruch an die IRA verkauft haben. Die Untergrundorganisation erbeutete dabei 2,7 Millionen Pfund, von denen es bis heute keine Spur gibt.
Auch diesmal könne man das Geld wohl abschreiben, glaubt die Polizei. Sie hatte bereits im Oktober von einem Spitzel den Tip bekommen, daß ein großes Ding geplant sei, und die Bandenmitglieder observiert. Dabei fiel ihnen auf, daß sich die Gangster offenbar für Geldtransporter interessierten. Doch man verlor sie immer wieder aus den Augen. „Die Gauner können einen Polizisten riechen“, sagte ein Beamter, „ich war einmal in ihrem Revier und hatte mich mit einem Hut und einer Art Strumpfmaske verkleidet, und man grüßte mich mit den Worten: ,Guten Tag, Herr Polizist.‘“ Seit dem Überfall auf Brinks, deren Geschäftsführung das zwei Jahre alte Gebäude noch vor kurzem als „uneinnehmbare Festung“ bezeichnete, leben die acht Verdächtigen in ihren Häusern, als sei nichts geschehen. „Es ist sinnlos, sie zu verhaften“, sagte ein Polizist. „Sie starren für 48 Stunden an die Wand, und dann müssen wir sie wieder laufenlassen. Wenn sie keinen Fehler machen, kommen sie wie bisher ungeschoren davon.“
Einen Fehler haben sie vielleicht gemacht, hoffen die Beamten: Am Montag abend schoß ein maskierter Täter der Journalistin Veronica Guerin in ihrem Haus am Flughafen ins Bein. Guerin hatte im vergangenen Jahr mehrmals mit dem mutmaßlichen Anführer der Bande gesprochen und ihn in einer Sonntagszeitung porträtiert, ohne seinen Namen zu nennen. Im Oktober ist schon einmal auf ihr Haus geschossen worden. Die Polizei geht davon aus, daß die Strafaktion von einem angeheuerten Profikiller durchgeführt worden ist, da man die „Marino-Millionäre“ seit einer Woche ständig überwacht. Allerdings scheint es mit der polizeilichen Beobachtungsgabe nicht weit her zu sein: Auch Veronica Guerins Haus stand seit Oktober unter Beobachtung. Ralf Sotscheck
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