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Eine PolemikKein alltäglicher Sexismus

■ In der öffentlichen Debatte werden die Täter entschuldigt

In der taz vom 21.5. 93 erschien unter dem Titel „Realsatire – Wer definiert sexuelle Belästigung“ ein Kommentar, der sich auf eine von einer Studentin am Otto-Suhr-Institut der FU als sexuelle Belästigung eines Dozenten aufgefaßte Geste bezog. Die FU-Frauenbeauftragte antwortet auf diesen Kommentar.

Sexuelle Belästigung, das ist für viele Frauen an der Universität ein ernstzunehmendes Problem. In der öffentlichen Diskussion, auch in linksalternativen Medien hat zur Zeit wieder die Meinung Konjunktur, die Täter, d.h. die Belästiger, seien die eigentlichen Opfer. So sieht die taz konkrete Fälle sexueller Belästigung als Realsatire zwischen den Polen eines „feministischen Faschismus“ und „alltäglichem Sexismus“ pendeln. Damit reiht sich die taz in eine allgemeine Kampagne ein, die die Konsequenzen einer Belästigung im Lebenszusammenhang einer Frau negiert und unterstützende Organisationen abqualifiziert.

Eine Umfrage unter Studentinnen und weiblichen Beschäftigten an mehreren Berliner Hochschulen ergab, daß sexuelle Belästigung keine Einzelfälle sind. Allein an der Freien Universität haben 47 Prozent der Frauen Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht. An der Hochschule geschehen Belästigungen oft in eindeutigen Abhängigkeitssituationen, zum Beispiel, wenn ein Dozent der Gutachter für die Diplomarbeit einer Studentin sein soll. Von dem Gutachten hängt die berufliche und ökonomische Zukunft der Studentin ab. Es handelt sich für die betroffene Frau um etwas sehr Einmaliges und sehr Wichtiges im Leben, nämlich den Studienabschluß. Das ist nichts Alltägliches, deshalb kann es sich bei einer Belästigung in einem solchen Fall nicht um „alltäglichen Sexismus“ handeln. Davon zu sprechen heißt, die Sicht des Täters zum Maßstab zu nehmen.

Meine Meinung ist, daß Dozenten, die sich gegenüber Studentinnen insbesondere in Prüfungssituationen nicht integer verhalten, keine Lehre an der Hochschule machen sollten. Ist es denn so, daß wir nur an die schutzwürdigen Interessen von Studentinnen denken, wenn Dozenten massiv handgreiflich und gewalttätig werden? Ansonsten werden die Täter als „unsensibel“ entschuldigt, werden von ihren Kollegen und auch Kolleginnen bedauert und verteidigt. Den Tätern werden unzählige schutzwürdige Interessen zugestanden. Womit wir bei der Frage der Sanktionen wären. Die Vorstellung, die in der öffentlichen Diskussion gerne beschworen wird, daß Feministinnen die Schaltzentralen der Macht besetzt hielten und als organisierte Racheengel gegen die Täter zu Felde zögen, suggeriert ein völlig falsches Bild.

Die von der taz in die Diskussion geworfene Unterstellung eines feministischen Faschismus ist in diesem Kontext nicht nur unsachlich, sondern sie erfüllt auch noch zwei andere Funktionen: Sie entschuldigt die Täter, und sie schüchtert Frauen ein. Viele Frauen reden nur mit ihren engsten Vertrauten über eine erlebte Belästigung, aus Angst davor, in der Diskussion noch einmal zum Opfer gemacht zu werden. Die Frauenbeauftragten sind wie viele andere beratende Institutionen eine Anlaufstelle für Frauen, wo diese sich aussprechen können und sich über mögliche Maßnahmen informieren können. Direkte Sanktionen gegen den Täter sind aber nur eine von vielen Möglichkeiten. Sie können jedoch nur dann wirksam greifen, wenn Frauen auch den Mut haben, Sanktionen gegen die Täter zu fordern. Dabei ist wichtig, daß durch eine Beschwerde bei der Frauenbeauftragten die einzelne Frau die Möglichkeit erhält, zwischen verschiedenen Handlungsebenen zu wählen und dadurch keine Nachteile zu erleiden.

Es wäre in der öffentlichen Diskussion dringend nötig, Frauen Mut zu machen, sich gegen sexuelle Belästigung zur Wehr zu setzen und die Täter nicht weiter ungeschoren davonkommen zu lassen. Christine Färber

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