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Archiv-Artikel

Eine „Hausgeburt“ in der Klinik

Das Zentralkrankenhaus Bremen Nord lockt Schwangere mit einem Traum von Badewanne und häuslicher Atmosphäre. Hebammen haben im Kreißsaal aber nur so lange das Sagen, wie alles glatt läuft

taz ■ Die Hebammen Julia Binek und Andrea Wendt gehören zu den alten Häsinnen in den Kreißsälen des Zentralkrankenhauses Bremen Nord. Ein entspannter Arbeitstag: nur aus einem der vier Kreißsäle dringen die geburtstypischen, markerschütternde Schreie.

Von einem lichtdurchfluteten, halbkreisförmigen Atrium führen Türen zu den vier Geburtsräumen. Von hier zweigt aber auch der Operationssaal ab, falls ein Kaiserschnitt notwendig wird. Und auch der Weg zur Sonnenterrasse führt durch das Atrium. Im Flur – er ist weder lang noch grade – steht eine gekachelte Wärmebank. In einem der Kreißsäle verführt die übergroße, herzförmige Badewanne in zartem Blau zum Baden – beim Anblick dieses Schmuckstücks beschließen etliche der Kreißsaaltouristinnen, die heute zur Besichtigung gekommen sind, ihr Baby genau hier, in dieser Wanne zur Welt zu bringen.

„Kreißsaaltouristinnen“ nennen die Hebammen liebevoll die Besucherinnen, die sich regelmäßig jeden zweiten Dienstag am Abend auf der Station umschauen, bevor sie dort oder in einem anderen Krankenhaus gebären. „Wenn es ernst wird, bevorzugen die meisten Gebärenden dann aber doch die trockene Variante“, weiß Hebamme Binek.

Seit den 80er-Jahren hat in vielen Kliniken allmählich ein Umdenken rund um die Geburt eingesetzt. Als „frauenfreundlich und familienorientiert“ beschreibt sich die Geburtshilfe in Bremen Nord selbst. Der natürlichen Geburt soll in angenehmer Atmosphäre Raum gegeben und die Mutter-Kind-Bindung nach bestem Wissen gefördert werden, heißt es auch auf der Homepage.

Ein ‚Alleinstellungsmerkmal‘, wie es die Werbebranche nennt, ist das allerdings längst nicht mehr. Alle Krankenhäuser in Bremen, die Sankt Jürgen-Klinik genauso wie das Gröpelinger Diako oder das Schwachauser St. Joseph Stift und alle anderen, haben längst Abschied genommen vom aseptischen Image von Hygiene und weißgefliesten Kreißsälen.

Ihre Hauptaufgabe sehen die Klinikhebammen Binek und Wendt darin, die Frauen in der Wahrnehmung ihrer Bedürfnisse zu stärken. „Wenn es sein muss, auch gegen den Willen der Ärzte“, stellt Binek klar. Um Geburtsschäden auszuschließen und sich vorzeitig abzusichern, würden manche Ärzte eher dazu neigen, in den natürlichen Geburtsverlauf verfrüht einzugreifen. Viele Hebammen vertreten dementgegen die Ansicht, dass gerade das verfrühte Eingreifen häufig der Grund für auftretende Komplikationen sei. Also lieber doch eine Hausgeburt, bei der die Hebamme als Vertreterin der natürlichen Geburt ganz klar der Chef ist?

Diethard Neubüser, unter dessen Leitung die Frauenklinik in Bremen Nord 1988 eingeweiht wurde, lässt die „Hebammen an die Front, so lange die Geburt gut verläuft“. Die Ärzte seien anwesend, würden sich aber zurückhalten. Von Hausgeburten rät er ab, da auch bei normalen Schwangerschaftsverläufen bei der Geburt überraschend Komplikationen auftreten könnten. Er lädt die Frauen stattdessen ein, die „Hausgeburt bei uns“ stattfinden zu lassen.

Für den Fall, dass doch mal etwas schief geht bei der Geburt, hat die Frauenklinik im Krankenhaus Bremen Nord einen klaren Vorteil: Sie ist in unmittelbarer Nähe von Kreißsaal, Wöchnerinnenstation und Kinderklinik. Mutter und Kind können so auch zusammenbleiben, wenn eine medizinische Betreuung des Säuglings notwendig wird.

Esther Brandau