: Eine Freundschaft in der Fremde
■ Pein und Leid internationaler Emigranten in Paradies, Brooklyn von Goran Paskaljevic
Es geht um das Komma. Denn zwischen dem Paradies und dem New Yorker Stadtteil Brooklyn steht ein Komma im Titel. Diese Grenze müssen die Figuren von Paradies, Brooklyn immer wieder passieren, wofür ihre Männerfreundschaft das Sprungbrett ist. Der Montenegriner Bayo (Miki Manojlovic) ist bei dem Spanier Alonso (Tom Conti) untergekommen, dem er sein heruntergekommenes Restaurant fegt. Doch ihre Beziehung läßt sich nicht in den Kategorien Geben und Nehmen beschreiben, eher schweißen Verzweiflung und Einsamkeit dieses ungleiche Paar zusammen.
Beide sind heimatlos, seit sie nach New York ausgewandert sind, um dort ein wenig Glück abzustauben. Doch ihr New York befindet sich auf der anderen Seite der Brooklyn Bridge, auf der anderen Seite der glitzernden Büro-Türme Manhattans. Dort entgiftet der illegale Emigrant Bayo Gründstücke, immer in Sorge um die Polizei.
Doch es gibt noch die Nachbarschaft im Hinterhof. Ein wenig Ritter von der traurigen Gestalt, hält er sich dort einen Hahn, der ihm morgens die Zehen krault. „Ich weiß nicht, wie man hier lebt“, wird seine Mutter später sagen. Das gilt auch für Bayo. Wie man in den USA lebt, das macht ihnen der Sohn vor, der mühevoll aus Ex-Jugoslawien über Mexiko nach Brooklyn flüchtete. Luka bringt die Kaschemme der beiden gleichgültigen Altvorderen auf Vordermann, spannt die Oma zum Kochen ein und schickt Bayos geliebten Hahn in den Hahnenkampf.
Am Ende ehelicht er die Tochter der chinesischen Familie von Gegenüber und ist nicht nur Besitzer einer Greencard, sondern auch einer Video-Kamera samt Eigenheims in Kalifornien. Der dickköpfige Bayo bleibt mit Alonso nur staunend zurück im Paradies, Brooklyn.
Mit Paradies, Brooklyn hat der jugoslawische Regisseur Goran Paskaljevic eine Utopie multikulturellen Zusammenlebens inszeniert, die unter der Hand auf ein besseres Jugoslawien verweist. Schnell wechseln die Stimmungen unter seiner Regie – auf Verlorenheit folgt ein weises Lächeln, auf Ausgelassenheit eine bewegungslose Melancholie. Darin ist Paskaljevic Kusturica, der ihm seinen Hauptdarsteller auslieh, nicht unähnlich. Beide spannen die Gefühle weit, beide stellen die Phantasie mehr ins Leben als die hiesigen Welterklärungsmodelle.
Wenn am Ende Bayo und Alonso mit ihrem Sofa über dem Empire State Building schweben, entwirft Paskaljevic eine Metapher für sein Kino und verweist geschickt darauf, daß seine Multikulti-Utopie wohl doch nur ein Kinotraum bleiben wird. Und wie die beiden Freunde schwebt auch der Zuschauer im kinematographischen Flugsimulator über das Komma im Titel. Volker Marquardt
Alabama, Zeise
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