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„Eine Frage der Sprachregelung“

■ Experten sehen Hamburger Methadonprogramm gefährdet

Das Hamburger Methadonprogramm sieht der Fachausschuß Drogen der Hamburgischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren gefährdet. Denn der Vertrag über das fünfjährige Erprobungsmodell zur Substitution läuft Ende des Jahres aus. Derzeit ist offen, ob es einen Folgevertrag geben wird, der die liberale Anwendung auch künftig garantiert, oder ob die rigoroseren Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) angewandt werden.

Letztere würden Substitution nur noch bei einer medizinischen Indikation zulassen, beispielsweise bei aidskranken, schwangeren oder schwerkranken Drogenabhängigen. Die Stärke des Hamburger Modells sei aber gerade die breit angelegte Indikation gewesen, so Hartmut Janßen, Sprecher des Fachausschusses Drogen. Derzeit werden in Hamburg rund 2 460 Drogenabhängige substituiert. Bei der Entscheidung, ob ein Suchtkranker in das Programm aufgenommen wird, wurden vor allem auch soziale Aspekte berücksichtigt. Durch die Substitution konnten Drogenabhängige soweit stabilisiert werden, daß sie eine Berufsausbildung machen oder einem Beruf nachgehen konnten, Prostitution oder Beschaffungskriminalität konnten eingedämmt werden.

„Die soziale Indikation ermöglicht im Gegensatz zu den NUB-Richtlinien eine Substitution, bevor es zu irreversiblen körperlichen, seelischen und sozialen Schäden kommt und verhindert diese meist“, heißt es in einer Stellungnahme des Fachausschusses Drogen. Besonders positiv sei auch die Kombination aus medizinischer und psychosozialer Betreuung.

Auch wenn es nicht zu einem Folgevertrag kommen sollte, bleibt nach Ansicht der Gesundheitsbehörde faktisch alles beim alten, zumindest für diejenigen, die bereits in dem Methadonprogramm sind. Es sei nur „eine Frage der Sprachregelung“, so Peter Lindlahr, Justitiar der Behörde. Die Behörde werde weiter die Kosten für die psychosoziale Beratung übernehmen. Die Verbände der Ersatzkassen, die Ärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung wollen, daß das Programm fortgesetzt und eine neue Vereinbarung getroffen wird. Die restlichen Kassen und die Apothekerkammer äußerten sich bisher nicht dazu.

Sollten sich die Kassen weigern, die liberalere Handhabung auch weiterhin zu finanzieren, stellt sich für Rainer Schmidt, Geschäftsführer der ambulanten Therapiehilfe Palette, die Frage, ob nicht die Stadt einspringen müßte. Schließlich sei das Drogenproblem ein Produkt der Gesellschaft.

Patricia Faller

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