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Eine Chance für Außenseiter

■ Das erste von fünf Berufsförderungszentren Ostdeutschlands

Stralsund. Thomas Schmaal aus Alt-Meteln bei Schwerin ist 24 und seit einem Motorradunfall vor acht Jahren gehbehindert. Die bis kürzlich ausgeübte Arbeit als Hilfsschlosser in der LPG verträgt er körperlich nicht mehr. Der junge Mann braucht eine sitzende Tätigkeit. In der ohnehin rettungslos erscheinenden Landwirtschaft Mecklenburg- Vorpommerns haben Menschen wie er kaum noch eine Chance auf einen angemessenen Arbeitsplatz. Seit Wochenbeginn haben Thomas und weitere Schicksalsgefährten wieder Hoffnung: Für zwei Jahre tauschten sie ihre Heimatwohnung mit einem schlichten, aber freundlich wirkenden Internatszimmer in Stralsund, um sich zum Industrie-Elektroniker, Bürokaufmann, Sozialversicherungsangestellten oder — wie Thomas — zum technischen Zeichner umschulen zu lassen. Die rund fünfzig überwiegend jungen Leute, die in ihrem gelernten Beruf nicht mehr arbeiten können, sind die ersten Rehabilitanden im derzeit noch einzigen ostdeutschen Berufsförderungszentrum. Im inzwischen von der Marine geräumten Objekt der ehemaligen Offiziershochschule am Strelasund sind mit einem Aufwand von achteinhalb Millionen D-Mark 110 Unterkunftsräume möbliert und mehrere Labors und Ausbildungsplätze mit allein achtzig Personalcomputern eingerichtet worden. Nahezu optimale Voraussetzungen, um schon in 24 Monaten die ersten Facharbeiterprüfungen vor der Industrie- und Handelskammer zu bestehen, meint der Leiter des Berufsförderungswerkes, Wolfgang Traulsen, der auch der Geschäftsleitung einer gleichen Einrichtung in Hamburg vorsteht. Für den beinamputierten Schiffsbauer, den wirbelsäulengeschädigten Bauern und die an einem Hautekzem leidende Friseuse ist die Ausbildung eine Voraussetzung für einen beruflichen Neueinstieg. Daß die angebotenen Fachrichtungen, zu denen im August auch noch die Qualifikation zum Kommunikationselektroniker, Bautechniker, Güteprüfer und Datenverarbeitungskaufmann hinzukommen, Hoffnung versprechen, bestätigen Rehabilitationsberater. Sie vermitteln zwischen den Arbeitsämtern Schwerin, Rostock, Stralsund und Neubrandenburg und dem Berufsförderungswerk. Im Berufsförderungswerk sollen 1992 rund sechshundert Rehabilitanden geschult werden. Ralph Sommer

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