: Eine Blackbox namens Polizei
Man weiß, dass man nichts weiß: Studie zeigt Forschungslücken auf
Von Frederik Eikmanns
Rassistische Kontrollen, exzessive Gewalt, abwertende Sprüche: Wie eine neue Untersuchung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt, ist das Risiko, von der Polizei diskriminiert zu werden, strukturell angelegt – und teils kaum erforscht. Die Leiterin der Stelle, Ferda Ataman, forderte am Mittwoch stärkere Bemühungen, um Licht ins Dunkel zu bringen: „Polizeiarbeit darf keine Blackbox sein.“ Der Bundespolizeibeauftragte Uli Grötsch sagte, es brauche ein „Klima der Nulltoleranz“.
Die Studie liefert keine neuen Zahlen, sondern bietet einen Überblick zum allgemeinen Forschungsstand. Dafür wurden etwa Studien ausgewertet und Expert*innen befragt. Vorfälle lassen sich demnach in zwei Gruppen einordnen: Underprotection und Overpolicing. Letzteres beschreibt Fälle, in denen bestimmte Gruppen exzessiver Aufmerksamkeit, Kontrolle und physischer Gewalt durch Polizist*innen ausgesetzt sind. Betroffen sind etwa psychisch Kranke oder Schwarze Personen. Racial Profiling ist das Fachwort dafür, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe etwa besonders oft in die Grenzkontrollen geraten. Underprotection liegt dagegen vor, wenn bestimmte Personenkreise vernachlässigt werden, nicht ernst genommen werden oder Kriminellen ausgeliefert werden. Das trifft etwa oft migrantische Frauen, deren Anzeigen von Polizist*innen nicht aufgenommen werden oder bei denen Hinweisen ignoriert werden, dass sie Opfer häuslicher Gewalt sind. Polizist*innen diskriminieren immer wieder aber auch untereinander. Ataman dazu: „Es ist immer noch schwierig, sich innerhalb einer Dienststelle als homosexuell zu outen.“
Um gegen all diese Missstände anzugehen, macht die Studie eine Reihe konkreter Vorschläge. So brauche es etwa Schulungen und Weiterbildungen. Darüber hinaus seien auch strukturelle Verbesserungen nötig, etwa durch eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, das derzeit nicht für staatliche Akteure gilt. Ataman: „Man ist beim Shoppen besser gegen Diskriminierung geschützt als bei einem Polizeieinsatz.“
Aber auch mehr unabhängige Prüfstellen seien wichtig, etwa in Form von weiteren Polizeibeauftragten in den Ländern, die auch als Anlaufstellen für Polizist*innen selbst fungieren. In sechs der Bundesländer gibt es bisher noch keine solchen Stellen. Der Bundesbeauftragte Grötsch betonte, wie viel besser Stellen, wie die seine, im Ausland mit Geld und Kompetenzen ausgestattet seien.
Allerdings scheint es fraglich, ob die Empfehlungen aus der Studie Realität werden. Die Union hatte noch vor wenigen Monaten gefordert, das Amt des Bundespolizeibeauftragten abzuschaffen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte vergangene Woche angekündigt, es brauche mehr Kompetenzen für die Polizei statt Kontrollquittungen, Kennzeichnungspflicht und Beschwerdestellen. Die Sicherheitsbehörden würden „zu oft unter Generalverdacht gestellt“.
Und in den von Dobrindt angeordneten Zurückweisungen Asylsuchender an den Grenzen ist Racial Profiling vorprogrammiert. Nun ist die Frage, ob zumindest Landesinnenminister*innen zu Anstrengungen gegen Diskriminierung bereit sind. Ataman dazu: „Selten war Diskriminierungsschutz so wichtig wie in diesen Zeiten.“
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