Eine Antwort, die keine ist

■ Nach "Motzki" kommen nun die "Trotzkis" in die vereinigten Wohnzimmer

Schön, daß bei den Röhls zu Hause noch alles seine Ordnung hat. Schmunzelnd erzählt Henning Röhl, daß seiner Frau ausgerechnet beim Geschirrspülen die Idee gekommen sei. „Trotzki“ hätte sie plötzlich ausgerufen: „Ihr müßt eure Serie ,Trotzki‘ nennen.“ Im Fernseher liefen gerade die letzten Minuten von „Motzki“. Der hatte wieder deftig gegen die Ossis gewettert, vor allem gegen seine Schwägerin, die für acht Mark Stundenlohn seinen Haushalt in Ordnung bringen mußte.

Der Fernsehdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks hat auf seine Ehefrau gehört: Mit einem Plural-S versehen, kommen die „Trotzkis“ ab heute (21.05 Uhr) jetzt zwölfmal als dumpfbackene Familie ins Erste. Noch im November wurde im MDR-Landesstudio in Halle die neue Ost-Comedy produziert. Eine Folge dauert 25 Minuten, kostet 200.000 Mark und ist in zwei Tagen abgedreht.

„Die Trozkis“ kommen aus der „Heldenstadt“ Leipzig und gehören zur fernsehtauglichen Spezies der einfältigen, aber sympathischen Verlierer. Sie sind vier an der Zahl und seelenverwandt mit den Bundys aus Chicago. Ihre Gemüter sind schlicht, ihre Köpfe hohl und ihre Begierden billig. Aber die „Trotzkis“ geben niemals auf, auch wenn sie von morgens bis abends beschissen werden – eine Ost-Familie im Dauerclinch mit der Marktwirtschaft.

„Bitter-süße Stimmung“ werde in den deutschen Wohnzimmern aufziehen, tönt die MDR-Pressestelle, wenn die Trotzkis von den „Wirren und Wandlungen der heutigen Zeit“ überwältigt werden. Aber, so die tröstliche Conclusion, „Herbert Trotzki ist ein ostdeutsches Stehaufmännchen, das uns zeigen wird, wie süß die Rache des kleines Mannes sein kann.“ Die Autoren Uwe Wilhelm (West) und Rainer Otto (Ost) sind jedenfalls davon überzeugt, „hart an der Wirklichkeit recherchiert zu haben“.

Auch Henning Röhl hat die Bagage mittlerweile in sein neuerdings ostdeutsches Herz geschlossen: Die Trotzkis, findet der Westimport, seien richtig unterhaltsam geworden, ein schönes Stück Fernsehen, das seiner Meinung nach gute Quoten verdient hätte.

Als der MDR im Frühjahr das Trotzki-Projekt vermelden ließ, waren die Schlagzeilen groß. Die Trotzkis wurden schnell als die ostdeutsche Antwort auf Motzki hochgespielt. Denn so viel Hohn und Spott konnte nicht unwidersprochen bleiben. Doch von den ersten Verlautbarungen will der größte ostdeutsche Sender jetzt nichts mehr wissen. „Wir sind kein Antistück zu Motzki“, erklärt Henning Röhl, allenfalls „eine Variation des Themas“, so Fernsehspielchef Thomas Steinke.

Autor Uwe Wilhelm sieht sich schon als großer Sitcom-Autor: „Die Trotzkis sind eloquenter, geistreicher, komischer und abwechslungsreicher als der Motzki von Wolfgang Menge.“ Allein sein Ko-Autor, Kollege Otto von der „Leipziger Pfeffermühle“, räumt ein: „Wer keinen Humor hat, wird auch diese Komödie bescheuert finden.“

Den Familienboß spielt Heinz Rennhack, früher „Prototyp des frohgemuten DDR-Bürgers“, jetzt verhärmtes Lästermaul. Herbert Trotzki ist Mitte 50, von Beruf Taxifahrer und gehört nicht erst seit der Wende zu jenen Zeitgenossen, die alles besser wissen. Nicht zu Unrecht fühlt sich Ehefrau Rosa (Christine Harbort) beim Anblick ihres ewig nörgelnden Gatten an das legendäre TV-Monster „Ekel Alfred“ erinnert. Rosa ist eine dralle, handfeste Frau, arbeitslos, aber voller Elan – wenn es gilt, im Schlußverkauf Rüschenblusen zu kaufen. Tochter Margot (Diana Urbank) eifert ganz ihrer Mutter nach. „Das blonde Gift von Leipzig“ (so die MDR-Beschreibung) ist scharf auf alle Segnungen des Westens, inklusive Mann. Ihr Bruder Benno (Michael Stutz), ein behäbiger und maulfauler Holzkopf, steht als zweiter Vorsitzender des Leipziger Fanclubs „Nordkurve“ natürlich auf ausgeleierte braune Trainingsanzüge und Dosenbier.

Auch sonst stimmen die Klischees: Familie Trotzki bevorzugt Filzschluffen mit Karomuster, ist schlecht gekleidet und voll auf Ostprodukte geeicht. Gäste bekommen Rotkäppchensekt oder echten Nordhäuser Doppelkorn auf der braunen Couchgarnitur mit Lehnen aus Lederimitat serviert. Und dort darf sich, um auch keine Peinlichkeit auszulassen, die Tochter des Hauses mit weitgeöffneter FDJ-Bluse vor der Kamera zeigen. Alles erlaubt also im neuen Comedy-Versuchslabor Leipzig. Nur eines dürfen sie nicht, die Trotzkis: sächseln. Denn das hat ihnen der MDR strengstens untersagt. Verstehe das einer. Thomas Gill