: Eine Antikritik in Sachen Primo Levi
■ Am 9.2.1990 kritisierte Ulrich Hausmann auf diesen Seiten die Primo-Levi-Edition des Hanserverlages. Heute antwortet Michael Krüger, der Chef des Verlages.
Erst jetzt ist der Artikel vom 9./10.2.1990 in meine Hände gelangt, der, wie es scheint, unüberprüft Vorwürfe wiederholt, die vor etwa einem Jahr in 'La Stampa‘ zu lesen waren. So wenig wie der Journalist von 'La Stampa‘, der immerhin fürs ferne Ausland berichtete und vielleicht mit hiesigen Gepflogenheiten nicht vertraut ist, hat der Verfasser des taz-Artikels es für nötig befunden, eine Stellungnahme des Verlages einzuholen, der seit einigen Jahren das Werk von Primo Levi betreut.
Zu der Anschuldigung, wir hätten durch die Publikation von Ist das ein Mensch und Die Atempause in einem Band „unzulässig zwei klar unterschiedene Schaffensperioden vermengt“:
1. haben wir den Band, der diese beiden Bücher enthält, nirgendwo Doppelroman genannt, wie Ulrich Hausmann behauptet,
2. hat kein anderer die Veröffentlichung dieser beiden Bände in einem Band gewünscht als Primo Levi selber. Er hat den Vertrag noch persönlich unterschrieben.
3. Es ist unzulässig naiv, zu glauben, verschiedene Schaffensperioden würden durch separate Veröffentlichungen manifest gemacht: thematisch gehören die beiden Erlebnisberichte zusammen. Wer wenigstens den Copyright -Vermerk zu lesen versteht, erfährt mit einem Blick, wann die Bücher jeweils erstmals in Italien erschienen sind. Es ist also nicht so, wie Ihr Autor vermutet, daß unsere Ausgabe „nur allzu deutlich den allein an der Fabel interessierten Blick der Editoren“ verrät, sondern den Blick des Autors, der offenbar ein wenig klüger ist als sein Rezensent.
Was den Vorwurf betrifft, wir hätten uns des Levischen Werks als „Steinbruch“ bedient, als wir das erste Kapitel aus Levis letztem Buch I sommersi et i salvati (Die Verlorenen und die Geretteten) in unserer Ausgabe abdruckten, so ist dazu zu sagen: es stellt lediglich einen Vorabdruck der deutschen Ausgabe dieses Werks dar, die schon damals geplant war, ein Anruf hätte dies leicht klären können, auch wenn wir es leider nicht so einrichten konnten, daß sie zur Zeit des Historikerstreits erschien, da es uns wiederum dringlicher erschien, zunächst einmal die beiden Erlebnisberichte, auf die sich Levis letztes Werk ständig bezieht, dem deutschen Leser zugänglich zu machen, nachdem sie lange Zeit vergriffen gewesen waren. I sommersi et i salvati wird in diesem Herbst erscheinen. Zu den „teilweise entstellenden Änderungen“ an der Übersetzung ist zu sagen: Der Verfasser des Artikels bleibt jeglichen Beweis für seine Unterstellung schuldig. Im übrigen ist in der korrekten und üblichen Form im Impressum darauf hingewiesen worden, daß die - fast 20 Jahre alte Übersetzung - für die Neuausgabe durchgesehen wurde. Üblicherweise stoßen sich Rezensenten in der Regel zu Recht daran, daß eine solche Durchsicht alter Übersetzungen unterbleibt.
Schließlich noch ein Wort zu der beleidigenden Unterstellung „verlegerischer Habgier“ im Zusammenhang mit unserer Auswahl von Erzählungen aus drei italienischen Bänden: Auch hier hat Primo Levi die Auswahl selbst getroffen. Das mag man bedauern, weil die subjektive Einschätzung sicherlich mit anderen Einschätzungen kollidiert, aber aus der Tatsache, daß man einen Autor fragt, wie er sich einen Erzählungsband wünscht, nachdem er selbst die Veröffentlichung sämtlicher Texte ausgeschlagen hat, dem Verlag einen Strick zu drehen, ist dumm und bösartig.
Verwunderlich an dieser besserwisserischen Rezension eines offenbar uninformierten Rezensenten scheint uns vor allem, daß der Verfasser, der offensichtlich die Kontroverse in Italien genau verfolgt hat, sich nicht einmal die journalistische Sorgfaltspflicht zu eigen gemacht hat, deren Fehlen wir bei 'La Stampa‘ beklagten.
Der Artikel Ihres Autors verfolt eindeutig die Tendenz, das Engagement des Carl Hanser Verlages für das Werk Primo Levis zu diskreditieren. Da dieses Engagement mit der vollen Unterstützung und zur großen Freude des Autors zu dessen Lebzeiten erfolgte, wäre denkbar, daß die Gründe, die zu der Haltung Ihres Rezensenten führten, anderer Natur sind. Aber wie können wir das wissen, wenn zur Vorsicht ein Pseudonym benutzt wird.
Michael Krüger
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