Ein zahnloser Minister im Haifischbecken

Im sächsischen Innenministerium wütet eine Schlammschlacht. Die Polizeispitzen werfen sich wechselseitig Bestechlichkeit vor. Die Opposition hingegen hofft, Minister Rasch mit einer Polizeiaffäre zu stürzen. Dabei gilt der als integer und freundlich

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Unverdrossen weiht Sachsens Innenminister Horst Rasch (CDU) renovierte Polizeireviere ein und spricht vom „ganz normalen Alltag“ im Innenministerium. Seit Wochen aber ist dessen Arbeit nahezu paralysiert. In der Landespolizeiführung tobt eine Schlammschlacht, wechselseitig beschuldigt man sich der Korruption. Aus diesem Anlass forderte die Opposition von PDS und SPD gestern in einer Sondersitzung des Landtages den Rücktritt von Minister Rasch.

Rasch ist schon seit der Flutkatastrophe im August 2002 die Hauptzielscheibe der Opposition wie der Presse. PDS-Innenpolitiker Steffen Tippach zählte eine Liste seiner Fehlleistungen auf. Sie reicht vom mangelhaften Katastrophenschutz über den Landesentwicklungsplan, den die eigene CDU-Landtagsfraktion entscheidend korrigierte, bis zu der peinlichen Forderung aller drei Polizeigewerkschaften im September, der Minister möge zurücktreten.

Im Mittelpunkt der Schlagzeilen um das „Haifischbecken“ Innenministerium steht Landespolizeipräsident Eberhard Pilz, der in Bayern „für den höheren Dienst nicht geeignet“ erschien, in Sachsen nichtsdestoweniger bis an die Spitze der Landespolizei aufstieg. Ein „System Pilz“, das manche schon aus Bayern kennen, soll er aufgebaut haben, sagen Gerüchte. Wenn es um greifbare Informationen und Beweise geht, verlangen Mitarbeiter des Innenministeriums inzwischen Zeugenschutz. Zugleich wird jeder Lackkratzer angeführt, den der Dienstwagenfahrer am Privatauto reparierte, jedes Schäkern bei Betriebsausflügen als „sexuelle Belästigung“ angeprangert.

Als Drahtzieher der Attacken gelten Amtsvorgänger Bernd Groh, der inzwischen ins Umweltministerium versetzt wurde, und die Spitzen der Landespolizeischule in Bautzen. Hinter Pilz stehen Innenstaatssekretär Michael Antoni und natürlich der Minister. Alle Seiten überziehen sich gegenseitig mit Strafanzeigen. Innenminister Rasch suspendierte jetzt sogar Polizeischulleiter Gerd Ley, der wiederum nach einem Prüfbericht selbst in den Verdacht der Vermengung dienstlicher und privater Interessen geraten ist.

Weiterer Ärger steht Rasch durch einen Vertrag mit einer MDR-Fernsehjournalistin ins Haus, der er mehr als 60.000 Euro für eine Sendung über Kriminalprävention zubilligte. Außerdem fällt ihm sein Finanzministerkollege Horst Metz mit der Forderung in den Rücken, 2.100 Polizeistellen zu streichen. Die Landespressekonferenz erteilte dessen Pressesprecher Thomas Usalub daher eine öffentliche Rüge.

Als Ursache des Polizeidebakels gilt die anstehende Polizeireform, mit der die Zahl der Polizeidirektionen halbiert und die Polizeipräsidien eingespart werden sollen. Darunter sind auch Spitzenposten, und im Gerangel um diese hat in der komplett importierten Polizeispitze wiederum die Bayern-Connection die Vorhand gegenüber der aus dem Schwäbischen oder dem Nordwesten stammenden.

Für die Opposition ist das ein willkommenes Wahlkampfthema. Und so greift man mit dem Ex-Bürgerbewegten Horst Rasch, der als persönlich integer und fast zu freundlich gilt, indirekt die Landesregierung und die sie tragende CDU insgesamt an.