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■ Ein wahrer Fotoroman von Frau Wenner und Herrn HögeDon't cry for me in Lima

1990 verkaufte der bis dahin unbekannte peruanische Landwirtschaftsprofessor Alberto Fujimori Haus und Auto, um als Kandidat des Bürgerbündnisses „Wechsel 90“ für das Amt des Präsidenten zu kandidieren. Er legte sich für den Wahlkampf ein Samuraischwert zu (Fototermine). Die Bäder in der Menge absolvierte er auf einem Mountainbike. Für Auftritte in Elendsvierteln baute er seinen Traktor zu einer Rednertribüne um („Fujimobil“). Bald wurde er im ganzen Land nur noch zärtlich chinito (das Chineschen) genannt. Die Wirtschaftspresse sprach vom „japanischen Torpedo“, und so glaubte mancher Wähler gar, daß nach seinem Wahlsieg japanische Haushaltsgeräte billiger würden. Daß es der Sohn japanischer Wirtschaftsflüchtlinge dann wirklich schaffte, verdankte er aber vor allem der Unterstützung seiner Frau, der erfolgreichen Bauingenieurin Susana Higuchi, die ihm vier süße Kinder geschenkt hatte: Keiko Sofia (15), Hiro Alberto (13), Sachie Marcela (12) und Kenji Gerardo (9). Überglücklich zog die Familie des Spezialisten für Kulturpflanzen des Andenhochlands in den Regierungspalast der Hauptstadt Lima. Und zwei Jahre lang schien bei den Fujimoris alles in bester Ordnung zu sein. Nur wohlinformierte Kreise erfuhren, wie Susana schon ein ums andere Mal den Präsidenten ermahnte: „Die Demokratie fängt zu Hause an.“Fotos: AP, Reuter, Hannes Wallrafen

Doch dann machte Susana eine furchtbare Entdeckung: Die beiden bösen Brüder von Alberto hatten krumme Geschäfte mit einer Kleiderspende der japanischen Regierung für arme Leute in Peru gemacht. Susana aber war für Sauberkeit auf allen Ebenen, und sie beschloß, Präsidentin anstelle des Präsidenten zu werden, und er solle sich was schämen. „Es gefällt mir nicht, mit der Korruption verheiratet zu sein.“ Alberto gefiel das gar nicht. Er erließ ein Gesetz, daß es ab sofort und für alle Zeiten den Angehörigen des peruanischen Präsidenten verbot, für das höchste Staatsamt zu kandidieren: die „Lex Susana“. „Damit hat Alberto mich im tiefsten Innern verletzt, ich kann nicht mehr mit ihm zusammenleben.“

Als strenggläubige Katholikin dachte Susana zunächst nicht an Scheidung. Statt dessen gründete sie eine Partei: „Harmonie 21. Jahrhundert“. Ihren Mann klagte sie an: „Du bist auf sozialem Gebiet nicht sensibel genug.“ Ihren Anhängerinnen erklärte sie, der Präsident sei wie ein Familienvater, der eine Luxusvilla bauen wolle, aber seiner Familie sechs Monate nichts zu essen gebe. Alberto stellte sie daraufhin im Palast unter Hausarrest, ließ sie mit Beruhigungsmitteln sedieren und ihr Telefon abhören. Die vier Kinder brachte er beim Geheimdienst unter. Er selbst zog ins Armee- Hauptquartier. Susanas erster öffentlicher Auftritt nach ihrer Flucht aus dem Palast galt einer sechzehnjährigen Mutter, die in einem Krankenhaus in Süd-Lima Drillinge zur Welt gebracht hatte. Bei dieser Gelegenheit ließ sie die Journalisten wissen, daß sie für die Aprilwahlen zur Verfügung stehe. Als die oberste Wahlbehörde Susanas Kandidatur ablehnte, trat sie in einen zweitägigen Hungerstreik, der im Krankenhaus San Lucas endete. „Ich werde meinen Kampf für die Demokratie niemals aufgeben“, sagte sie und reichte dann doch die Scheidung „wegen seelischer Grausamkeit“ ein. Mit einer „neuen Ethik“ versucht ihre Partei nun die Herzen der entrechteten peruanischen Frauen zu gewinnen: „Alberto ist ein Diktator! Ich habe am eigenen Leib erfahren, was es heißt, wenn man seiner Bürgerrechte beraubt wird.“ Nachdem Alberto den Krieg mit Ecuador angefangen hatte, ließ sie den Scheidungsprozeß erst mal ruhen: „Aber eine Versöhnung wird es nie mehr geben.“

Allen Schwierigkeiten zum Trotz geht Frau Higuchis Wahlkampf weiter. Bis hinein in die europäischen Fußgängerzonen hört man das mitreißende Lied der „Los Incas“: Tag und Nacht tönt's aus den Anden / Susana soll ganz oben landen!

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