: Ein neuer Medienriese für die Ostmark
■ Die westdeutsche WAZ–Gruppe steigt mit 45 Prozent bei der größten Zeitung Österreichs, der Neuen Kronen Zeitung ein / Ende eines monatelangen Feilschens / Springer wurde gegen Bauer, Bauer gegen die WAZ ausgespielt / Ein Kauf mit beträchtlichen Risiken
Wien (afp/ap) - Die in Essen beheimatete Verlagsgruppe Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) wird mit 45 Prozent Gesellschafter der auflagenstärksten österreichischen Tageszeitung, der Neuen Kronen Zeitung. Ein entsprechender Vertrag wurde am Donnerstag unterzeichnet. Vor dem Abschluß mit der WAZ waren verschiedene andere bundesdeutsche Verlagshäuser und Zeitungsgruppen als mögliche Vertragspartner im Gespräch, darunter der Springer– Konzern und zuletzt der Hamburger Heinrich–Bauer–Verlag. Wie Hans Dichand, dem die Krone zur Hälfte gehört, am Donnerstag erklärte, habe er sich für die WAZ entschieden, „weil diese Gruppe den Schwerpunkt ihrer Verlagstätigkeit, genau wie die Kronen Zeitung, auf dem Tageszeitungssektor hat“. Die „herausragende Stellung der WAZ– Gruppe in der Bundesrepublik und die starke Position der Kronen Zeitung in Österreich“ würden einander „ideal ergänzen“. Der Jahresumsatz der Kronen Zeitung, deren Auflage an Wochentagen 960.000 und an Sonn– und Feiertagen 1,3 Mio. Exemplare beträgt, liegt bei 2,6 Mrd. liarden Schilling (über 371 Mio. DM). Das Blatt beschäftigt knapp 2.800 Mitarbeiter, davon 1.000 Teilzeitbeschäftigte. An der Unabhängigkeit der Kronen Zeitung und ihrer Mitarbeiter werde sich aber durch den Verkauf des 45 Dichand zusicherte. Er selbst werde als Hauptgeschäftsführer, Herausgeber und Chefredakteur (gemeinsam mit dem geschäftsführenden Chefredakteur Friedrich Dragon) das Unternehmen führen. Die WAZ–Gruppe werde in die Geschäftsführung einen Druckereifachmann entsenden, wie Dichand erklärte. An der Frage der Unabhängigkeit der Redaktion waren in den Verhandlungen mit dem Bauer–Verlag sehr unterschiedliche Positionen zutage getreten. Der Verkauf des Kronen Zeitung–Anteils erfolgte aufgrund einer gerichtlich ausgetragenen Auseinandersetzung der bisher zu je 50 Prozent beteiligten Gesellschafter Hans Dichand und Kurt Falk, die zu einem Vergleich führte. Dieser sah vor, daß Dichand bis Ende November 1987 das Recht habe, Falks Anteil für 2,2 Mrd. Schilling (über 314 Mio. DM) zu erwerben. Sollte dies nicht eintreten, hätte Falk seinerseits das Recht, den Anteil seines bisherigen Partners für die gleiche Summe zu übernehmen. Über die Summe, die die WAZ für den 45–Prozent–Anteil an der Kronen Zeitung bezahlt, war am Donnerstag vormittag nichts bekannt. Im Zuge der Verhandlungen mit dem Heinrich– Bauer–Verlag war von 1,6 Milliarden Schilling (über 228 Millionen DM) für einen Anteil von 49 Prozent die Rede gewesen. Die Differenz zum Preis des gesamten Falk–Anteils wollten österreichische Banken finanzieren. Der Kauf birgt nach Angaben von Medienspezialisten auch Risiken. In Österreich herrschen kaum Zweifel, daß Falk die Schilling–Milliarden nach einer „Schonfrist“ in den Medienmarkt investieren wird. Das Konzept für eine neue Tageszeitung soll bereits in Schubladen liegen. Auf dem Zeitungsmarkt in Österreich, der gegenwärtig von Krone und der Konkurrenz Kurier diktiert wird, könnte dies zu einer gewaltigen Veränderung führen.
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