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Archiv-Artikel

Ein längst fälliger Anschiss

Der tut nix? Tut er doch, sieht man ja. Jeden Tag landen knapp 60 Tonnen Hundekot auf den Straßen. Einige Überlegungen, warum Berlin so richtig in der Scheiße sitzt – und ein Vorschlag zur Güte

VON ULRICH SCHULTE

Beginnen wir mit den Fakten, bei diesem Thema ist Sachlichkeit schließlich angebracht: 55 bis 60 Tonnen Hundekot landen täglich auf Berlins Straßen, je nachdem, wie gut die Tierchen verdauen. Das sind, wenn man von einer wässrigen Konsistenz ausgeht, 400 Badewannen voll. Aufs Jahr gerechnet entspricht es dem Gewicht von 19.000 VW-Golf oder 150 ausgewachsenen Blauwalen.

Berlin sitzt in der Scheiße – und zwar schon lange, aussichtslos tief und ohne Aussicht auf Besserung. Die akute Kotnot wird jetzt, im Frühjahr, besonders nasenfällig. Proportional mit der Temperatur nehmen auch die Duftschwaden zu, die durch die Straßen ziehen. Hundekot ist in puncto Geruch übrigens der Mercedes unter den Hinterlassenschaften: Viel Fleisch im Napf bedeutet viel Protein im Darm bedeutet viele stinkende Stoffe und Gase wie Schwefelwasserstoff jenseits des Darmausgangs.

Das Statistische Landesamt zählte Ende 2003 genau 102.836 bei der Steuer angemeldete Hunde, verwöhnt von 98.192 HalterInnen. Wahrscheinlich laufen weitere 30.000 bis 40.000 beste Freunde des Menschen ohne Plakette herum, schätzt die Sozialverwaltung.

Berlin ist nicht nur Tölenhauptstadt, es ist auch die Hauptstadt der Salmonellen, Haken- und Spulwürmer. In Bezirken wie Neukölln sieht man um Straßenbäumen oft vor Wurst die Erde nicht mehr. Wo die sauberen Tiere noch ihre Pfötchen hinstellen, bleibt ihr Geheimnis. Kinder wollen demnächst die Haufen vor ihrer Schule bunt ansprühen, andere Bezirke sperren Plätze oder hängen Tüten-Spender auf (Text unten links). Zarte Pflänzlein, die der Kot erstickt – denn ändern werden sie nichts.

Wer über Hundescheiße spricht, darf über den Besitzer nicht schweigen. Der zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass ihm Bellos Darmentleerung herzlich egal ist. Ein, zwei Meter vor der eigenen Fußmatte kann der rechte Ort sein. Darauf angesprochen, kontert er mit logischen Argumenten („Ick zahl ja Hundesteuer“), listigen Gegenfragen („Soll der mir aufs Sofa kacken?“) oder sanften Appellen („Kümmer dir um deinen eigenen Scheiß“). Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes Mitte, der anonym bleiben will, berichtet: „Mal ehrlich, wer hat schon so ein Tütchen dabei? Die Ermahnungen unserer Kiezstreifen bewirken bei den Haltern so gut wie keinen Lerneffekt. Besonders schlimm ist es auf grünen Straßeninseln: Da wird Fiffi hingeführt und kann sich ausdonnern.“ In anderen Bezirken fingen Herrchen und Frauchen schon Prügeleien an. Dabei haben die laut Straßenreinigungsgesetz „dafür Sorge zu tragen, dass ihre Hunde die Straßen nicht verunreinigen“. Liegen lassen kostet. Bis 35 Euro auf Straßen (ebenjenes Gesetz), bis 20 Euro in Parks (Grünanlagengesetz). Glaubt man dem Mann aus Mitte, kümmert das keinen.

Ausbaden müssen die 400 Badewannen die Jungs in Orange. „Aber das hundekotliche Engagement unserer Mitarbeiter kann allenfalls einen kleinen Teil des Problems lösen“, sagt Bernd Müller, Sprecher der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR). Selbst wenn der Straßenkehrer um halb sieben in der Früh die Runde im Kiez macht, erwischt er gerade mal das Morgengeschäft. „Aber jeder Hund löst sich zwei bis drei Mal am Tag in die öffentliche Stadtlandschaft“, sagt Müller. „Sich lösen“ ist Amtsdeutsch und lässt sich mit „Exkremente absondern“ übersetzen. Das aber nur am Rande: Das Problem löst sich dadurch ja nicht. Die BSR-Leute sind Beseitigungsprofis und mit den Tücken des Objekts vertraut. „Wenn die Substanz frisch ist, führt jeder Kehrversuch zu mehr Verschmierung, besonders beim Mosaikpflaster.“ Der geübte Kehrer lässt manches links liegen.

Das kostet natürlich Geld. Wie bitte? „Ick zahl ja Hundest …“, ja, ja, klar. Aber selbst wenn man die 11,2 Millionen Euro, die das Land pro Jahr durch die Hundesteuer einnimmt, komplett an die BSR überweisen würde, reicht das nicht. Sagt Sprecher Müller. „Die Belastung der öffentlichen Hand liegt mit Sicherheit höher als die Erträge aus der Hundesteuer“, bestätigt Matthias Kolbeck, Sprecher der Finanzverwaltung.

Aber nur rummeckern bringt nichts. Deshalb ein Tipp für die Hundefreunde im Senat: Warum nicht den bald stillgelegten Flughafen Tempelhof zur Riesenhundewiese erklären – auf Lebenszeit? Die Besitzer haben natürlich ein Besuchsrecht.