■ Ein blutiger Putsch zur Sicherung von Privilegien: Wen interessiert Burundi?
Wer interessiert sich schon für Burundi? Strategisch ist der Kleinstaat ohne jede Bedeutung. Bodenschätze gibt's auch nicht, und Touristen hat das ostafrikanische Binnenland wenig zu bieten. Bis zu 500.000 Menschen sind dort seit der Unabhängigkeit 1962 grausamen Massakern zum Opfer gefallen. Wie hätte die Welt wohl darauf reagiert, wenn Burundi in Europa läge? Die Bedeutung von Menschenrechtsverletzungen orientiert sich an der geopolitischen Lage. Wer interessiert sich schon für Burundi? Das Land hätte in den letzten Monaten – weltweit – zum Symbol der Hoffnung auf die Möglichkeit der friedlichen Lösung eines uralten Konflikts werden können. (So viele Beispiele gibt's dafür ja nicht.) Nach jahrzehntelanger Militärherrschaft war im Juni ein ziviler Präsident frei gewählt worden. Mit Melchior Ndadaye kam zum ersten Mal ein Angehöriger des Mehrheitsvolkes der Hutu an die Macht, zu denen 85 Prozent der Bevölkerung gehören. Von der feudalistisch organisierten Minderheit der Tutsi waren sie seit Jahrhunderten beherrscht worden.
Der ethnische Konflikt, der auch soziale und ökonomische Aspekte hat, schien vielen Beobachtern unlösbar. Während in Burundi die Mehrheit die Minderheit unterdrückte, war es im benachbarten Ruanda umgekehrt: Dort hatten die Hutu die Tutsi von der Macht verjagt. Blutig verlief die Entwicklung in beiden Ländern. Massenflucht und Massenmorde, in Ruanda ein drei Jahre währender Bürgerkrieg mit brüchigem Frieden – die tiefen Gräben zwischen den Bevölkerungsgruppen schienen unüberbrückbar geworden zu sein. Ndadaye hatte sich dadurch nicht entmutigen lassen. Er bemühte sich um nationale Versöhnung: Seiner Regierung gehörten Vertreter beider Volksgruppen an. Politische Gefangene wurden amnestiert. Im Land herrschte eine optimistische Aufbruchsstimmung. Die Putschisten können keine noch so fadenscheinigen Rechtfertigungsgründe für ihr Tun ins Feld führen.
Den Tutsi-Offizieren ging es um ihre Privilegien und um ihre Macht. In der Bevölkerung können sie nicht auf breite Unterstützung rechnen. Das aber braucht sie nicht zu kümmern. Mit nacktem Terror läßt sich Widerstand ersticken. Die Warnung der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ vor neuen Massakern ist berechtigt. Die EG hat den Putsch verurteilt. Bonn und Washington haben Hilfszusagen für Burundi gestoppt, Frankreich droht mit demselben Schritt. Aber es bleibt abzuwarten, ob die harte Linie auch dann durchgehalten wird, wenn die neuen Machthaber erst einmal fest im Sattel sitzen. Erfahrung begründet Zweifel.
Ein Reformprozeß scheitert in vielen Ländern nicht am politischen Desinteresse oder gar der „Unreife“ der Bevölkerung, sondern schlicht daran, daß die Demokraten nicht über die Machtmittel verfügen, die sie brauchen, um die Demokratisierung durchzusetzen. Den Regierungen der Industrienationen ist das bekannt, vielerorts wurden die vorhandenen Strukturen von ihnen jahrzehntelang gefördert und mitgeschaffen. Von den unvermeidbaren Folgen wenden sie sich nach kurzer Schamfrist meist achselzuckend ab. Wen interessiert schon Burundi? Bettina Gaus
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