: Ein Übergangsplan für Algerien
■ Neue Staatspräsidentschaft geplant / Nationalkonferenz unter Beteiligung der Opposition / Elf Todesopfer
Algier/Berlin (AP/afp/taz)
Unter dem anhaltenden Druck zurückzutreten und den Weg für demokratische Reformen zu ebnen, hat die algerische Regierung am Samstag Pläne für eine Übergangsverwaltung vorgelegt. Danach soll der vom Militär gestützte Oberste Staatsrat aus fünf Mitgliedern durch eine dreiköpfige Staatspräsidentschaft ersetzt und ein 180 Abgeordnete zählender Nationaler Übergangsrat unter Beteiligung der Opposition gebildet werden.
Der Ankündigung zufolge soll der Vorschlag der sogenannten Regierungskommission zum Nationalen Dialog auf einer für den 25. und 26. Januar anberaumten Nationalkonferenz offiziell vorgestellt und verabschiedet werden. Dazu wurden auch Vertreter der algerischen Opposition eingeladen.
Die neue Regierung soll dann am 31. Januar ihr Amt antreten, wenn das Mandat des Obersten Staatsrats ausläuft, das bereits um einen Monat verlängert worden war. Dem Nationalen Übergangsrat, der etwa drei Jahre im Amt bleiben soll, sollen laut Plan Vertreter der Regierung, politischer Parteien, der Wirtschaft und sozialer Gruppen sowie unbhängige Einzelpersonen angehören und eine Art Interimsparlament darstellen. Der Entwurf sieht außerdem Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vor.
Unwahrscheinlich schien, daß die Regierung auf die Oppositionsforderung nach Beteiligung der Islamischen Heilsfront (FIS) eingehen würde. Der sich abzeichnende Wahlsieg dieser inzwischen verbotenen islamistischen Partei hatte im Januar 1992 zu der Machtübernahme des Militärs gefühert. Zwar hat die Regierung Bereitschaft zu Gesprächen mit „gemäßigten“ Heilsfrontmitgliedern signalisiert und in Algier wurde gestern auch darüber spekuliert, ob möglicherweise Einzelpersonen aus dem Kreise der FIS, die nicht gegen die Gesetze verstoßen haben, mit von der Partie sein werden. Allerdings verlangen die Islamisten die Freilassung ihrer inhaftierten Spitzenfunktionäre als Voraussetzung für eine Teilnahme an der geplanten Nationalkonferenz. Außerdem strebt sie einen möglichst frühen Wahltermin an.
Bei einem Anschlag auf einen Polizeikonvoi wurden in der Nacht zum Freitag fünf Beamte getötet und zwei weitere schwer verletzt. Die Streifenwagen befanden sich auf dem Weg in die Stadt Annaba nahe der tunesischen Grenze, wie die Zeitung Alger Républicain berichtete.
Unterdessen meldeten Sicherheitskreise, daß bei diversen Zusammenstößen am Mittwoch, Donnerstag und Freitag fünf radikale Islamisten getötet worden seien. Ein weiterer sei von einem Bauern bei dem Versuch erschossen worden, dessen Jagdgewehr zu stehlen. Seit Beginn des Aufstands radikaler Islamisten vor zwei Jahren sind in Algerien schätzungsweise 3.000 Menschen ums Leben gekommen.
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