■ Ein Tag im Hause Krause: „Undankbares Volk“
Ein neuer Tag bricht an. Als erster wagt es Schäferhund Hasso, sich den mannigfaltigen Anforderungen eines Ministerhaushalts zu stellen. Schläfrig tapst er in die Küche, beäugt seinen Futternapf, stellt fest, daß dieser leer ist und entfernt sich verdrießlich. Langsam erwacht auch der Rest des Hauses. „Heidrun“, schallt es ungnädig aus dem Badezimmer, „ruf doch mal beim Gaswerk an und frag, ob was mit unserer Pipeline ist. Der Boiler springt nicht an.“
Wenig später sitzt Familie Krause am Frühstückstisch. Doch irgendwas fehlt. „Sag mal, Günther, hast du eigentlich schon beim Landwirtschaftsminister angerufen, die Eier sind alle“, fragt die Ministergattin. „Müssen gleich kommen“, antwortet der Minister vollmundig, „aber hör mal, wo bleibt eigentlich Alfons mit meinen Marmeladebroten?“ „Dem habe ich gesagt, er braucht ein paar Tage nicht zu kommen. Wenn die Presse rauskriegt, daß wir einen ABM-Butler haben...“
„Presse, Presse. Was interessiert mich die Presse? Bin ich Minister, oder was. Ruf sofort an, der Kerl soll seinen Arsch hierherbewegen, sonst rauscht's.“ Während sich der Minister fluchend und ungeschickt ein Marmeladebrot schmiert, greift Frau Krause zum Telefon. „Und wenn du schon dabei bist, ruf gleich beim Sozialamt an, wo das Hundefutter bleibt. Die sollen spuren, sonst gibt's Ärger. Schließlich geht es um Bürgerrechte. Nicht wahr, Hasso.“
Liebevoll tätschelt der Minister dem Schäferhund den Kopf, da klingelt es. „Der Eierbote vom Landwirtschaftsministerium“, ruft Ministersohn Christian. „Na endlich“, antwortet Krause, „gib ihm einen Groschen Trinkgeld. Aber lass dir eine Quittung geben.“
„Ich kann Alfons nicht erreichen, aber das Hundefutter kommt gleich“, verkündet Gattin Heidrun fröhlich, „aber sag mal, wo bleibt eigentlich der Hubschrauber. Der Junge kommt noch zu spät zur Schule.“
Einige Stunden später. Auf der Landebahn hinter dem Haus landet ein Bundeswehrjet. Der Minister kommt ins Haus. „Brumm, brumm, brumm“, stammelt er mit irrem Blick, faßt sich dann, stellt das Paket Klopapier aus der Bundestagstoilette ab und fragt leutselig: „Na, wie war dein Tag.“ „Scheußlich“, antwortet die Gattin. „Dieser Schulze versperrt mit seinem blöden Haus die ganze Aussicht von der Veranda. Wie weit ist eigentlich das Enteignungsverfahren?“ Des Ministers Miene verdüstert sich: „Der Waigel macht Ärger. Er sieht nicht ein, daß direkt vor meinem Haus eine sechsspurige Autobahn vorbeiführen muß, und will nicht zahlen. Dabei habe ich ihm zehn Kilometer gratis versprochen. Sag mal, dein Alter hat doch bestimmt noch irgendwo ein schnuckeliges Grundstück, daß wir dem Theo günstig...“
„Der Alfons ist im Fernsehen“, brüllt der Ministersohn im Hintergrund. Er stellt den Ton lauter: „...und dann mußte ich immer die Mülltonnen der Nachbarn nach Pfandflaschen durchsuchen, und dann...“
„Lumpenpack, undankbares Volk, mach das sofort aus“, schreit der Minister und reckt die Arme klagend gen Himmel: „Oh, wie schlecht ist doch die Welt. Ruf morgen unbedingt beim Arbeitsamt an, wieviel sie für die Beschäftigung eines langzeitarbeitslosen, gut ausgebildeten Butlers aus Sri Lanka zahlen. Aber taubstumm muß er sein.“ Matti Lieske
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