■ Ein Stuntman im rumänischen Parlament: Lieber Pferde als Rindviecher
Bukarest (taz) – Der Beruf des Stuntmans besitzt im rumänischen Parlament hohen Gebrauchswert. Weniger wegen der zahllosen wagemutigen Darbietungen geistiger Art, deren entsetzter Zeuge der Besucher tagtäglich wird. Sondern mehr, weil es des öfteren zu Schlägereien unter den Abgeordneten kommt, wenn kein verbaler Salto mortale mehr beeindruckt.
Der Abgeordnete Elek Barna ist so eine Art Stuntman. Allerdings nicht, um seine Fraktion im Notfall zu verteidigen, setzte ihn der Verband der ungarischen Minderheit in Rumänien UDMR auf seine Liste. Bei Elek Barna hängt das, „wie alles in meinem Leben“, mit den Pferden zusammen. Wegen ihnen wurde der 47jährige Ungar aus Siebenbürgen Tierarzt, kam zum Film, avancierte zum Abgeordneten und landete schließlich in Bad Segeberg – bei den Karl- May-Festspielen.
„Mit acht Jahren nahmen mich meine Großväter zum Reiten mit. Von da an war meine Pferdeliebe geweckt“, erzählt Elek Barna. Als Tiermedizin-Student meldet er sich 1966 auf eine Zeitungsanzeige hin: Für einen historischen Film werden Reiterstatisten gesucht. Dem Regisseur fällt er auf. Seitdem ist er immer dabei, wenn Pferde dressiert werden müssen. Zwischendurch arbeitet er auf dem Land als Tierarzt, gründet nebenbei eine Pferdesportschule und gewinnt 1985 die rumänischen Landesmeisterschaften im Military- Reiten. Nach dem Sturz des Diktators Ceaușescu wird er als Landwirtschaftsexperte Abgeordneter für den Ungarn-Verband.
Karl May hat er als Kind gelesen. Daß er einmal bei den Karl- May-Festspielen in Bad Segeberg mitmachen würde, hätte er sich nie träumen lassen. Seit fünf Jahren arbeitet dort ein rumänischer Regisseur mit seiner Truppe. „Für die Deutschen ist das billiger“, sagt Elek Barna, „und gleichzeitig machen wir Qualitätsarbeit.“ Er trainierte die Pferde für den „Ölprinzen“ vor zwei Jahren und den „Schatz im Silbersee“ in diesem Sommer. Wieviel Geld er dafür bekommen hat, will er nicht sagen. „Es ist so lächerlich, daß ich mich schäme“, meint er, „aber ich hab's ja aus Spaß und nicht wegen Geld gemacht.“
Freddy King fand er wunderbar. Mit Gojko Mitić, dem in der DDR berühmten jugoslawischen Indianer-Schauspieler, hat er sich über serbischen Nationalismus gestritten. Von den Deutschen hätte er gedacht, daß sie pünktlicher sind. Doch ansonsten war er von ihnen beeindruckt. Zum Beispiel, meint er, gäben die Deutschen, anders als die Rumänen, nicht viel auf Titel. Sie hätten sich sogar mißtrauisch darüber gewundert, daß er Abgeordneter sei. „Einmal war so eine Situation, da gab es Probleme mit dem Pferd von Freddy. Da hab' ich gesagt, laßt mich das mal machen. Ich beschäftigte mich eine halbe Stunde lang mit dem Pferd. Dann war es in Ordnung. Und von dem Moment an war ich anerkannt. Von dem Moment an, wo sie sahen, ich kann meine Arbeit machen.“
Beeindruckt hat ihn in Bad Segeberg auch, daß Salvatore, der Besitzer eines italienischen Restaurants, an seinen Laden ganz einfach eine italienische Fahne hängte. Würde Elek Barna in seiner Heimatstadt Neumarkt (Tîrgu Mureș) in Siebenbürgen eine ungarische Fahne heraushängen, dann käme er wohl ins Gefängnis. Gerade nämlich hat das Parlament einen entsprechenden Gesetzesartikel verabschiedet, der das Singen fremder Nationalhymnen und das Installieren fremder Fahnen verbietet.
Zwar will Elek Barna noch bis zu den nächsten Wahlen Abgeordneter bleiben. Aber manchmal denkt er: „Lieber bei meinen Pferden als bei den Rindsviechern.“ Keno Verseck
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