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Ein Straßenstier ist Spaniens SuperstarDas Miet-Tier

Ein Stier mit dem Namen "Ratón" hat schon zwei Menschen umgebracht - weil sie dafür zahlten. Am Samstag tritt Ratón um Mitternacht im ostspanischen Sueca erneut auf.

Ratóns Vorbild: Straßenstiere in Pamplona. Bild: dpa

MADRID taz | "Ratón" - "Maus" - ist der Superstar der spanischen Volksfeste und alles andere als niedlich. Hinter dem harmlosen Namen verbirgt sich ein zehnjähriger, 500 Kilogramm schwerer Stier. Wo der gefleckte Bulle auftaucht, ist Spektakel angesagt. Zwei Tote und mindestens fünf Schwerverletzte hat das Prachtexemplar bisher in seiner Jagdbilanz vorzuweisen. Mitte August spießte er unweit der Mittelmeerstadt Valencia einen 29-Jährigen auf. Seither macht Ratón national und international Schlagzeilen. Ein Grund, das Tier in den Ruhestand zu schicken? Sein Züchter Gregorio de Jesús will davon nichts wissen. "Was machst du, wenn sie dir einen Scheck unter die Nase halten und sagen: ,schreib rein, was du willst'?"

10.000 Euro Miete verlangt er mittlerweile für Ratón. 2.000 sind es bei normalen Straßenstieren. Tiere wie Ratón werden auf Plätzen zur Schau gestellt. Das Publikum reizt sie und läuft dann weg. Ratón hat das Spiel durchschaut. Er greift an, springt auf Bühnen, die als sicherer Rückzugsort für die Stierläufer gedacht sind, überwindet die Absperrungen.

Als "blutrünstig und intelligent" wird er auf Plakaten angekündigt. "Wenn er Körperkontakt herstellt, sticht er mit kurzen, sich wiederholenden Stößen zu und wiegt dabei den Kopf. Das verursacht bei den Opfern schwerere Verletzungen als im Normalfall", lobt Züchter de Jesús Ratón im Internet. Bei YouTube haben Fans dutzende Videos eingestellt, die zeigen, wie der käufliche Nervenkitzel zu verstehen ist.

Jedem sein Stierchen

Am Samstag tritt Ratón um Mitternacht im ostspanischen Sueca erneut auf. Der Platz ist ausverkauft. 50 Journalisten, darunter Fernsehsender aus dem europäischen Ausland und den USA, haben sich angekündigt. Ratón verspricht Blut und das verkauft sich. Das Spektakel der Straßenstiere ist vor allem an der Mittelmeerküste in Valencia und in Katalonien verbreitet. Es ist die populäre Seite des offiziellen, rechtlich reglementierten Stierkampfs in der Arena.

Die Straßenstiere erfreuen sich in den letzten Jahren wieder steigender Beliebtheit, stehen sie doch für regionale - und im Falle Kataloniens - für nationale Identität. Das in Katalonien gültige Stierkampfverbot nimmt die Straßenstiere ausdrücklich aus.

Besitzer Gregorio de Jesús plant für die Zukunft. Er will Ratón als Zuchtstier einsetzen. "Das ist ein Idee", schreibt die Tageszeitung El País in einer Kolumne. "Wenn Ratón dann hunderte kleiner Ratoncitos zeugt, kann jeder von denen tausende Stierläufer unterhalten. Wir wären dann alle mit irgendeinem Stier beschäftigt, anstatt uns über Firlefanz zu empören. Darum geht es doch letztendlich."

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7 Kommentare

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  • A
    Antonietta

    IJedes Jahr werden alleine in Spanien über 40.000 Stiere getötet. Die Stierkampf-Industrie erhält schätzungsweise etwa 530 Millionen Euro an Subventionen von der EU. Ohne diese Mittel könnte das blutige Spektakel gar nicht stattfinden. Noch bevor die Tiere die Arena betreten, werden sie mit Elektroschocks traktiert. Oft verabreicht man ihnen Abführmittel und in ihre Augen wird Vaseline gerieben, um ihre Sehkraft zu trüben. In der Arena angekommen werden sie mit Lanzen und Speeren verletzt und gequält. Nach der grausamen Prozedur versucht schließlich der „Matador“, die geschwächten und panischen Tiere mit seinem Schwert zu töten. Oft genug verfehlt der Matador das Rückenmark und das Sterben dauert qualvoll lange.

  • S
    sarah

    schade, dass auch aus anderen Ländern Journalisten (bestimmt auch deutsche TV-Teams) dieses Spektakel durch ihre Anwesenheit bei dieser Tierquälerei unterstützen und damit wohl auch noch einige Menschen damit ermutigen, an dieser Hetzjagd teilzunehmen.

     

    Und jetzt nicht wieder dieses idiotische Argument: Andere Länder - andere Sitten...und von wegen Tradition...

     

    Hier werden Lebewesen unnötigem Stress ausgesetzt zur Belustigung - tolle Sache!

  • S
    Silvia

    abba ICH bin vulgär-oh Mann echt ey...also wenn mir jemand den Blanko-check hinhält schreibe ich 750 MRD drauf und gründe eine Wirtschaftsregierung;);dEN sTIER Nehme ich als Symbol meiner bestialischen Intelligenz und fördere jeden menschlichen Hauch auf jede Starbühne,dass keiner mehr weiss,WAS Menschsein eigentlich noch sein könnte und wenn dann alle endlich dem einzig wahren Glauben verfallen sind mache ich den Fernseher aus,bestelle die Zeitung ab und gehe in den Garten und esse einen Apfel vom Baum-Spaniens Superstar heisst Leo Bassi und hat echte Eier...

  • K
    Krank

    Sowas irres. Freu mich jedes Jahr, wenn ich lese, dass wieder ein paar Irre von Stieren auf die Hörner genommen wurden. Ein Hoch auf das dieses Jahr wieder möglichst viele Menschen schwer oder tödlich verletzt werden. Grüße

  • E
    emil

    sehr gut, pro opfer noch ein bisschen oben drauf schauffeln. ein bisschen die mensch-tier balance gerade rücken.

  • E
    elmar

    traurig, dass die TAZ nicht mehr zu diesem vollständig unnötigen tierquälerischen spektakel zu sagen hat.

    im prinzip ist das doch ein männliches macho-gehabe auf kosten unschuldiger.

    dass sowas von der TAZ unkritisch weitergegeben wird überrascht mich jetzt schon.

    auch, dass in einem text zu dieser sog "stierhatz" kein einziges mal das wort "tierschutz" vorkommt, irritiert.

  • SK
    Sonja Kiechle

    Wir schreiben das Jahr 2011.

    Unfassbarerweise gibt es in der EU immer noch Länder, die sich an Traditionen klammern, die ethisch längst nicht mehr vertretbar sind und aus dem vorigen Jahrhundert stammen.

    Tierschutz scheint in Spanien nach wie vor ein Fremdwort. Fortschritt auch!