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Archiv-Artikel

Ein Sieg ist noch kein Triumph

Die Baskets Bonn sind wieder einmal im siebten Himmel. 79:86 gewinnen sie in einem kampfbetonten und aggressiven Spiel gegen Alba Berlin. Doch wie die Geschichte zeigt, wegweisend für die Baketball-Play-offs ist das Ergebnis keinesfalls

von MATTI LIESKE

Dem zahnlosen Aleksandar Nadjfeji war es vorbehalten, den Schlusspunkt zu setzen. Mit einem Freiwurf erzielte er den letzten Punkt zum 86:79-Sieg der Baskets Bonn bei Alba Berlin, dann war das Spitzenspiel vor 8.269 Zuschauern zu Ende, die Gäste hatten sich als souveräner Tabellenführer etabliert und ließen sich verdientermaßen von ihren Fans feiern.

Viel war vor diesem Spiel wieder einmal die Rede gewesen vom wegweisenden Match, vom Schlüsselspiel, von einem „wichtigen Signal“ für die Meisterschaft, wie es Alba-Manager Marco Baldi beschwor. Alles Schmarrn – keiner weiß das besser als die Baskets und ihr Anhang. So oft haben sie schon in der Punktrunde gegen Alba gewonnen, sich im siebten Himmel gewähnt und ganz fest geglaubt, dass es endlich so weit wäre, die Zeit für eine erfolgreiche Palastrevolte im deutschen Basketball angebrochen sei. Doch dann kamen die Play-offs, und die Bonner mussten wieder einmal einsehen, dass ein alter Fußballerspruch seine Gültigkeit abgewandelt auch im Basketball besitzt: Acht Mannschaften starten mit großen Hoffnungen in die Play-offs um den Titel, aber Meister wird am Ende immer Alba Berlin. Die ultimative Bestätigung gab es im letzten Jahr, als der Dauerchampion eine für seine Verhältnisse miserable Saison gespielt hatte, mit denkbar schlechter Ausgangsposition in die Play-offs gegangen war und diese dennoch ungeschlagen als Meister beendete.

Was also blieb am gestrigen Nachmittag, war ein Kampf ums Prestige, um Selbstbewusstsein und nicht zuletzt den wirtschaftlichen Vorteil, als Bester der Punktrunde mit den meisten Heimspielen in der entscheidenden Phase rechnen zu können. Und natürlich ging es auch um das Sammeln von Indizien dafür, dass es vielleicht schon in dieser Saison zum Undenkbaren kommen könnte: das Ende einer Ära.

Die Bonner bewiesen über lange Strecken, dass sie die Mittel besitzen, den Titelverteidiger in extreme Verwirrung zu stürzen. In einer jener intensiven, oftmals wenig schönen Partien, wie sie für die Treffen beider Teams charakteristisch sind, setzten die Gäste den Berlinern sofort mit ihrer aggressiven Defense zu und spielten sich im Angriff eine Reihe offener Würfe heraus. „Wir waren nicht klug genug“, kritisierte Alba-Trainer Emir Mutapcic später. Die Folge war eine schnelle zweistellige Führung für Bonn, welche Alba nie ganz wettmachen konnte. Nur Center Jovo Stanojevic und dem erst kürzlich aus Spanien gekommene Vladimir Petrovic, der viel Energie ins Spiel brachte, hatten es die Berliner zu verdanken, dass sie überhaupt bis zum Schluss im Spiel blieben.

Als Generalprobe für eine mögliche Play-off-Serie war die Partie allemal tauglich. So übte Stanojevic, mit 29 Punkten der wirkungsvollste Alba-Akteur, schon mal ausgiebig die Disziplin „Wie bringe ich den gegnerischen Center zur Weißglut“. Mit seinem berserkerhaften Einsatz unter dem Korb, der unter Mitwirkung von Quadre Lollis auch Nadjfeji besagten Vorderzahn kostete, und seiner Fähigkeit, trickreich Freiwürfe zu schinden, versetzte er seinen Kontrahenten Aleksandar Radojevic dermaßen in Rage, dass dieser kaum ein Faktor war. In dem dünn besetzten Bonner Team, wo Trainer Predrag Krunic meist mit nur sieben Spielern auskommt, kann so etwas entscheidend sein. Auch die Art, wie die Baskets in den letzten zwei Minuten ihren komfortablen Vorsprung dahinschmelzen ließen, bevor sie sich doch noch ins Ziel retteten, gibt eher Alba Grund zum Optimismus. „Wir müssen das analysieren“, sagte Mutapcic nach der Schlappe leicht betreten. Hoffnungslos klang das gar nicht.