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Archiv-Artikel

VÄTERZEIT: CSU-GENERALSEKRETÄR SCHOSS ÜBERS ZIEL HINAUS Ein Rückzugsmanöver minderer Eleganz

Ja, wer soll denn noch das konservative Familienbild in Deutschland hüten, wenn es die CDU-Familienministerin nicht mehr tut? So ähnlich haben es sich schon verschiedene Ministerpräsidenten in der Union gefragt und das scheunentorweite Loch, das sie da ausmachten, flugs besetzt. Rüttgers, Althaus, Böhmer und nun noch einmal CSU-Generalsekretär Markus Söder für die CSU: Sie alle lehnen Ursula von der Leyens Vorhaben ab, zwei von den zwölf geplanten Monaten Elterngeld für Väter zu reservieren. Die Worte „Zwang“ und „Sanktionen“ fallen dann und dass der Staat den Menschen für ihr Privatleben „Vorschriften“ mache.

Mit so billiger Rhetorik dürften die Herren nicht sehr weit kommen. Zum einen verunglimpfen sie damit die Sorgearbeit für Kinder. Sie unterstellen, dass Väter nichts mehr fürchten, als vom Staat an den Wickeltisch verbannt zu werden, und konstatieren damit, wie wenig Wert sie dieser Arbeit zumessen. Das kommt in Zeiten, in denen allerorten für das Engagement für Familie und Kinder geworben wird, einfach nicht mehr an. Zudem haben sie ein massives Gleichberechtigungsproblem. Der „Zwang“ wird nicht neu eingeführt, sondern der Zwang ist schon da. Bisher hat der Staat durch ein absolut unzureichendes Angebot an Betreuungseinrichtungen de facto viele Mütter gezwungen, zu Hause zu bleiben. Wann fordert Herr Söder die Befreiung der Mütter vom Haushalts- und Kinderzwang? Das dritte und größte Problem der Männerriege liegt aber darin, dass sie eine Minderheit vertritt. Über die Hälfte aller Väter würde gerne mehr Elternzeit nehmen, wenn sie finanziell über die Runden kämen. Genau das ermöglicht von der Leyens Ansatz.

Söder selbst scheint sich nicht mehr so sicher zu sein, ob er die Machtströme in der Union richtig eingeschätzt hat – immerhin steht die Kanzlerin hinter dem Elterngeld-Projekt. Also schlägt er nun das gleiche Modell in Grün vor: Die Väterzeit an zwölf Monate statt an zehn gehängt – und schon wird aus dem Zwang ein Bonus, wie er meint? Nennen wir es lieber ein Rückzugsmanöver minderer Eleganz. HEIDE OESTREICH