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„Ein Meisterstück des Seiltanzes“

■ Stolpe und Diepgen sichern Gewerkschaften 100 Prozent des Westtarifs für den öffentlichen Dienst zu. Stichtag soll Termin der Länderfusion sein

Öffentlich Bedienstete im gemeinsamen Land Berlin-Brandenburg sollen bereits ab Fusionstermin einheitlich nach Westtarif bezahlt werden. Das haben die Landesregierungen gestern in einem Gespräch mit den Gewerkschaften zugesagt.

Wie die Regierungschefs Eberhard Diepgen (CDU) und Manfred Stolpe (SPD) nach der Beratung im Jagdschloß Glienicke erläuterten, soll diese angepeilte Regelung in Kürze mit der Tarifgemeinschaft der Länder rechtlich abgesichert werden. Laut Diepgen ist darüber hinaus vorgesehen, über einen sogenannten „Vereinigungspersonalrat“ die Rechte der Arbeitnehmer im Fusionsprozeß festzulegen. Eine Arbeitsgruppe beider Länder soll bis Ende März Einzelheiten klären.

Am meisten strittig sind nach der Zusage zur Tarifangleichung die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer. Diepgen sagte, die Gewerkschaften hätten Maximalforderungen aufgestellt. Es werde eine Verständigung geben ohne „Veränderung der Zuständigkeiten im Staat“. Zudem solle kein Keil zwischen die öffentlich Bediensteten und die Beschäftigten in der Wirtschaft getrieben werden.

Offen blieb gestern auch, wie die angepeilte Tarifangleichung zum Fusionstermin im Einklang mit der Tarifgemeinschaft der Länder (TLG) erreicht werden kann. Stolpe sagte, Brandenburg wolle die TLG nicht verlassen. Es stehe ein „Meisterstück des Seiltanzes“ bevor. Berlin und die TLG hatten sich wegen des Vorpreschens der Hauptstadt bei der Tarifangleichung zwischen dem Ost- und Westteil ohnehin schon überworfen. Derzeit sind die Ostberliner bei über 90 Prozent Westniveau, die Brandenburger bei 84 Prozent, wobei die ostdeutschen Beschäftigten durch längere Arbeitszeiten und ungünstigere Manteltarifbedingungen noch zusätzlich schlechter gestellt sind.

Vor der Presse zeigten sich sowohl Diepgen und Stolpe als auch die Vertreter der Gewerkschaften und des Beamtenbundes aus beiden Bundesländern aber zufrieden mit dem ersten Gespräch. Brandenburgs ÖTV-Chef Werner Ruhnke unterstrich jedoch nochmals, daß sich die Gewerkschaft eine Zustimmung zur Fusion bei Westniveau im Tarifbereich vorstellen kann. „Wir haben die andere Seite der Havel noch nicht erreicht“, verwies er auf den noch bestehenden Klärungsbedarf. Ruhnke sprach von „sehr ungewöhnlichen Verhandlungen“. Alles, „was die Regierungen uns abhandeln, wird die Skepsis zur Fusion nicht ausräumen können“.

Unterstrichen wurde auch das Festhalten am Vertragstext, wonach es keine fusionsbedingten Kündigungen im öffentlichen Dienst geben soll. Derzeit haben beide Länder zusammen 180.000 Landesbedienstete, als Zielmarke nennt der Vertrag 159.000. Stolpe riet den Ressorts Bildung und Inneres, sich mit den Vertretern von Lehrern und Polizei zusammenzusetzen, um Probleme auszuräumen. ADN

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