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Ein Mann, seine Rede und seine Scheu vor Glatteis

■ Ein kommissarischer Polizeichef, der nicht sagt, daß er nicht Polizeichef sein will

Der Mann weiß, was er will. Und er weiß, was er nicht sagen will. Folgerichtig sagt er auch nichts. Dafür redet er: sachlich, pointiert, mit leiser Stimme, die kaum Schwankungen aufweist.

Wolfgang Sielaff (53) ist – nach dem Rücktritt von Arved Semerak in der vorigen Woche – Hamburgs amtierender Polizeipräsident. Der Leiter des Landeskriminalamtes ist bereits zum zweitenmal Chef der Hamburger Polizei: Von März bis September vorigen Jahres, bevor Semerak kam, mußte er schon einmal kommissarisch den Job machen. „Ich habe langsam Übung darin“, kommentiert er trocken. Und wehrt alle Fragen ab, ob er denn auch offiziell Polizeipräsident der Hansestadt werden will: „Alles, was ich dazu sagen könnte, würde nur zu Mißverständnissen führen.“ Kann ein klares 'Ja' oder 'Nein' mißverständlich sein? „Nächste Frage, bitte“, sagt Sielaff.

Warum bloß hat er dann die Hamburger Journaille gestern zum Pressegespräch ins Polizeipräsidium geladen? Weil es in den „vergangenen Tagen Turbulenzen“ gegeben habe, sagt Sielaff, und weil es seine Aufgabe sei, in der Polizei wieder für „Ruhe und Normalität“ zu sorgen. Und dann spricht er wortreich darüber, warum er Polizeichef werden will, ohne zu sagen, daß er Polizeichef werden will.

Die jüngste Diskussion in gewissen Zeitungen über die angeblich gestiegene Kriminalitätsrate sei wenig hilfreich gewesen, die Stadt sei keineswegs „eine Hochburg des Verbrechens“. Zudem müsse man die Verbrechensentwicklung vor dem gesellschaftlichen Hintergrund sehen: Es gibt, erkennt auch der amtierende Polizeichef, wachsende Armut und „den Marsch in die Zweidrittel-Gesellschaft“. Es könne aber „nicht Aufgabe der Polizei sein, die daraus resultierenden sozialen Konflikte lösen zu sollen und zu müssen“.

Die Kritik an den politisch verordneten Sparmaßnahmen sei ebenfalls „dem Thema nicht angemessen“ gewesen. Von „Kaputtsparen“, sagt Sielaff, könne keine Rede sein. Er habe bisweilen den Eindruck gehabt, daß für die Polizei „die Gefahr bestand, instrumentalisiert zu werden“. Sorgsam wägt er jedes Wort, das Wort 'Kampagne' vermeidet er folglich; immer wieder schaut er auf seine Spickzettel, und die Adressaten seiner langatmigen Ausführungen, die beiden Herren von den beiden Boulevardblättern, scheint er zu übersehen.

Effektivität und Schlagkraft, fährt Sielaff fort, sei nicht nur eine Frage des Geldes. Sparen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, da könne es keine „Bevorzugung der Polizei geben, zum Beispiel durch Kürzungen im Jugend- oder Sozialbereich“. Das würde zu einer Verschärfung sozialer Spannungen führen, und die Folgen „holen uns Jahre später ein“.

Worte, die Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) gerne vernehmen wird, wenn er heute aus dem Urlaub nach Hamburg zurücckommt. Sein Verhältnis zum Senator, bestätigt Sielaff, sei „konstruktiv“. Wenn der das „Primat der Politik“ betone, könne er ihm nur zustimmen. Die Hamburger Polizei, sagt Sielaff, „kann kein Staat im Stadtstaat sein“.

Ein neuer Polizeipräsident dürfe dennoch „kein Durchlauferhitzer“ im Dienste der politischen Führung sein. Er müsse eine Persönlichkeit abgeben, die motivieren und Verantwortung tragen könne, und er müsse dem Senator auch mal klare Worte sagen. Aber nur „hinter verschlossenen Türen“, beendet Sielaff seine Rede.

Geklungen hat sie wie eine geschickt-unverbindliche öffentliche Bewerbung, aber war sie auch so gemeint? „Auf das Glatteis dieser Frage“, antwortet Sielaff, „möchte ich mich nicht begeben“.

Sven-Michael Veit

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