piwik no script img

Archiv-Artikel

Bilder einer Wahrnehmung: Takeshi Kitanos „Hana-Bi“ im b-movie Ein Gedächtnis, das allen gehört

Er habe „das Problem des Todes“ auf derselben Ebene wie das Leben angesiedelt“, sagt Takeshi Kitano über seinen Film Hana-Bi. Bereits die Konstellation der Charaktere deutet auf die Gleichrangigkeit und Verquickung beider Ebenen hin. So macht sich der Polizeibeamte Yoshitaka Nishi gleich zu Beginn der Filmes schuldig, weil er seinen langjährigen Freund und Kollegen Horibe nicht bei einer Beschattungsaktion unterstützt, sondern seine schwer krebskranke Frau im Krankenhaus besucht. Horibe wird bei dieser Aktion schwer verletzt, wenig später kommen zwei weitere Polizeibeamte bei der Jagd auf einen Yakuza-Angehörigen ums Leben.

Nishi quittiert seinen Dienst, nimmt seine Frau zu sich nach Hause und überfällt eine Bank, um Schulden bei Yakuza-Kredithaien zu bezahlen. Während er sich mit seiner Frau auf den Weg zum Meer macht, nehmen Yakuza und Polizei die Verfolgung auf.

Während also getreu dem Yakuza-Genre ein Spiel um Leben und Tod inszeniert ist, setzen ihr Gewicht, aber auch ihre Bedeutungslosigkeit beide miteinander in Verbindung. Denn das völlig regungslose Gesicht von Nishi, das nur bisweilen von einem Zucken durchzogen wird, kann Berührung und Gleichgültigkeit verbergen. Nur die Handlung lässt uns ahnen, dass die jähen Ausbrüche von Gewalt, in denen er Yakuza-Angehörige verstümmelt oder ermordet, durch Wut, Rache oder Gleichgültigkeit gegenüber ihrem Leben getragen sind. Ebenso gibt uns sein Wortkargheit keinen Aufschluss darüber, warum Nishi seine Frau so liebevoll während ihrer letzten Lebenstage pflegt, weshalb er seinem im Rollstuhl sitzenden Kollegen Horibe Malutensilien zukommen lässt. Erfüllt er seine Pflicht, oder ist er den beiden herzlich zugetan? Die Entscheidung über seine Motivationen bleibt den Zuschauenden überlassen, die nun ihrerseits damit konfrontiert werden, welchen Wert sie den Bildern von Leid, Sterben und Tod zukommen lassen.

Dieses grundsätzliche erzählerische Mittel, durch das Kitano die Zuschauenden zwingt, in dem Todesreigen ihre eigenen Gefühle einzubringen, wird durch ein weiteres Stilmittel gesteigert. Immer wieder werden Bilder eingeblendet, die nicht unmittelbar zur Handlung gehören und die daher zusammenhangslos erscheinen. Bei manchen Bildern könnte es sich um Rückblenden handeln, in denen Nishi sich an wichtige Vorkommnisse wie die Ermordung seiner Kollegen erinnert.

Doch spätestens wenn die gemalten Bilder seines behinderten Kollegen Horibe auf der Leinwand zu sehen sind, der Tiergesichter in Blumen hineinmalt, die er tagsüber wahrgenommen hat, wird diese Interpretationsmöglichkeit unterbrochen. Die zusammenhanglosen Bilder sind freigesetzt: ein Gedächtnis, das allen gehört.

Doro Wiese

13./15./16.5., 20.30 Uhr, b-movie; 15.5. auch 23 Uhr