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Ein Elektrogerät ist kein Wirsingkohl Von Ralf Sotscheck

In Wuppertal gibt es schicke Toaster. Manchmal führen sie aber zu Ehekrisen. Angelika und Aribert wollten sich vor kurzem ein neues Gerät kaufen und suchten ein Geschäft auf, das vom einfachen Brotröstautomaten bis hin zur Luxusausführung mit Fünfganggetriebe alles führte. Angelika, die das Kaufgespräch übernommen hatte, entschied sich für einen Toaster mittlerer Preisklasse.

Aribert machte ein langes Gesicht. Er hatte ein Auge auf einen elektronischen Toaster mit Mittelzentrierung, Bräunungsgradmesser, Warmhalteautomatik und sanftem Auswurf mittels schallgedämpfter Hebevorrichtung geworfen. Bevor er seinen Wunsch äußern konnte, so behauptete er nun, habe die Gattin bereits die Sparausführung gekauft. „Ein Elektrogerät ist kein Wirsingkohl“, dozierte er. „Der Kauf will wohl überlegt sein.“ Man tauschte das soeben erstandene Gerät gegen die Luxusausführung um.

Ich war auf die häusliche Brotbräunungsdemonstration gespannt, denn ich war damals ebenfalls auf Toastersuche. Unser altes Gerät mit zwei Seitentürchen hatte den Nachteil, daß man das Röstgut genau beobachten und im richtigen Moment wenden mußte, damit es nicht schwarz wurde. Klingelte das Telefon zwischendurch, war die Brotscheibe verloren.

Aribert baute nun die Neuerwerbung auf dem Fensterbrett neben dem Eßtisch auf und legte eine Scheibe Weißbrot in den Schlitz. Nach Knopfdruck surrte der Toaster, zentrierte die Scheibe und fuhr sie mit dem elektronischen Lift fast geräuschlos nach unten. Während Aribert Kaffee kochte, gab der Toaster Rauchzeichen von sich. Auf die manuelle Abschaltung reagierte er nicht. Erst als der Stecker herausgezogen wurde, gab er das zu Kohle gewordene Brot frei. Aribert drehte den stufenlos verstellbaren Bräunungsregler herunter, und das deutsche Markengerät verhunzte die nächste Scheibe. Und die nächste.

Dann war das Toastbrot alle. Man kaufte neues. Aribert hatte den Regler inzwischen auf Null gestellt, worüber sich der elektronische Brotvernichter offenbar ärgerte: Diesmal schossen Flammen aus dem Schlitz, im Handumdrehen brannte der ganze Apparat lichterloh. Aribert starrte erst ungläubig auf das Fensterbrett, dann auf Angelika, die vor Schadenfreude fast geplatzt wäre. Ich nahm dann doch Abstand vom Kauf dieses Luxusmodells.

Und das war gut so: Die Mitbewohner in Dublin hatten während meiner Abwesenheit einen Toaster gekauft. Er entpuppte sich als Niete. Er war zu klein für die irischen Scheiben, deren oberes Drittel aus dem Gerät herausragte. Nach dem ersten Durchgang mußte man den Toast wenden und ein zweites Mal toasten. Das hatte einen Nachteil: Der mittlere Teil wurde zwei Mal geröstet, was ihm nicht guttat.

Ich tauschte das Gerät dann gegen das Spitzenprodukt einer US- amerikanischen Firma um – mit breiten Schlitzen, in die vier Scheiben hineinpassen, sowie einer ausklappbaren Brötchenhalterung. Schon wieder ein Fehlkauf: Entweder ist irisches Brot zu leicht, oder der Toaster war ein Nebenprodukt der Nasa. Jedenfalls warf er die perfekt gerösteten Scheiben in hohem Bogen schnurstracks in die nasse Spüle.

Wir essen jetzt immer Cornflakes zum Frühstück.

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