: Ein Dissident auf Abwegen
Mit einem offenen Brief an Vaclav Havel reagierte der Hamburger GMD und Chef der tschechischen Philharmonie Gerd Albrecht gestern auf die Vorwürfe des Staatspräsidenten, es sei seine mangelnde künstlerische Arbeit, die den Streit um seine Person entfacht habe (siehe taz vom 16. Januar). In Anspielung darauf, daß Havel weder das kürzliche Jubiläumskonzert zum 100. Geburstag des Orchesters noch die von Albrecht initiierten Konzerte mit Werken, die im KZ Theresienstadt entstanden sind, besucht habe, sagt Albrecht: „Was Sie darüber (über die künstlerische Qualität) behaupten, ist eine Beleidigung, die nur auf völliger Fehlinformation beruhen kann. Bitte, informieren Sie sich über das Echo von 80 Konzerten im Ausland. Bitte, widerrufen Sie Ihre Behauptung so schnell wie möglich.“ Und in Hinblick auf die Umbiegung politischer Angriffe zu angeblich künstlerischen Vorwürfen sagt der Brief weiter: „Jedem war klar, (...) daß ich auch aus politischen Gründen nach Prag ging. Sie duldeten meine persönliche Des-avouierung seit langer Zeit, jetzt stützen Sie noch Dinge, gegen die Sie einstmals gekämpft haben. Ich will es nicht glauben, daß der ehemalige Dissident Vaclav Havel Verfahren unterstützt, die dem kommunistischen ,Abservieren un-liebsamer Personen' ähnlich sind.“
Am 30. Januar wird sich Albrecht auf einer Pressekonferenz in Prag „über weitere Schritte äußern“. Alles andere als ein Rücktritt wäre eine riesige Überraschung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen