■ Ein Coup englischer Tierbefreier erweist sich als Landplage: Und zum Nachtisch eine Eule
Dublin (taz) – Auf den ersten Blick erschien es als heroische Tat, auf den zweiten Blick entpuppte es sich als Torheit: Militante Tierschützer haben am Wochenende in Hampshire rund 5.000 Nerze aus einer Pelzfarm befreit, und seitdem zittert die gesamte Tierwelt der südenglischen Grafschaft vor den niedlichen Raubtieren.
Wenn sie als Stola um neureiche Hälse hängen, sieht man den Nerzen ihre Mordlust nicht mehr an. Auf freier Wildbahn dagegen machen sie sich über alles her, was ihnen in die Quere kommt: Vögel und Mäuse, Fische und Frösche, Eier und Eidechsen. In ihrer natürlichen Umgebung in Nordamerika sind die potentiellen Opfer auf der Hut, aber was soll eine ahnungslose britische Ente denken, wenn ein tauchender Nerz sie von unten in den Teich zieht und ersäuft?
Ganz schlecht sieht es für die stark bedrohte Schermaus aus. 90 Prozent der Flußmäuse sind von ausgebüxten Importnerzen in den vergangenen zehn Jahren dahingerafft worden. Die übrigen Nager haben sich ins Avon-Tal in Hampshire zurückgezogen, wo sie bis zum Wochenende tadellos gediehen. Nun treiben sich dort 5.000 Nerze herum. „Für die Nerze ist das Avon-Tal wie ein McDonald's- Restaurant“, sagt Ian Davidson- Watts von der staatlichen Tierschutzorganisation, „Schermäuse sind ihre Leibspeise.“
Und zum Nachtisch eine Eule. Neben der verlassenen Nerzfarm befindet sich ein Eulenschutzgebiet. Drei seltene Eulen sind seit dem Wochenende schon getötet worden. „Die Köpfe waren sauber abgetrennt“, sagte Eulenwart Bruce Berry. „Sie kommen durch das kleinste Loch im Zaun und können sich jeden einzelnen Vogel im Schutzgebiet holen.“ Er fügt hinzu, die niederträchtigen Nager töteten nicht aus Hunger, sondern weil es ihnen Spaß macht.
Sie fallen auch gerne übereinander her und werden deshalb selten älter als ein Jahr. Mit den Fellen und Federn ihrer Opfer polstern sie ihre Höhlen aus, was durchaus legitim erscheint, wenn man das ihnen stets drohende mantelhafte Schicksal in Betracht zieht.
Aber Bruce Berry schiebt jetzt jede Nacht Wache mit einem Gewehr, damit seine Eulen nicht als Höhlenschmuck enden. 30 Nerze hat er bereits erlegt. Die Bauern von Hampshire haben ebenfalls zur Jagd geblasen, nachdem die Pelztiere mehrere Hühnerställe leergeräumt und Ferkel angefallen hatten. Nachts geht es in Hampshire zu wie auf einem Schießplatz.
Die Polizei hat der Bevölkerung dringend geraten, ihre Hunde und Katzen wegzuschließen und einen Bogen um die Nerze zu machen. Umgekehrt gilt das nicht: In der Nähe von Ringwood hat man in einem Schlafzimmer einen Nerz dabei ertappt, wie er sich gerade über eine Perserkatze hermachen wollte. Das teure Haustier konnte gerettet werden, weil Frauchen den Nerz mit einem Spatenhieb erlegte. Zuvor hatte er allerdings einem Chihuahua im Nachbarsgarten die Kehle durchgebissen.
Für die Otter, die man nach zehn Jahren mühsamer Kleinarbeit wieder in Hampshire angesiedelt hatte, ist die Nerzplage doppelt ärgerlich: Zum einen trachten ihnen die Nerze nach Leib und Leben, zum anderen fliegen ihnen die Kugeln um die Ohren, weil die Bauern sie aus der Entfernung für Nerze halten. Die Otter werden sich noch lange an die dusseligen Tierbefreier erinnern. Ralf Sotscheck
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