■ Ein Chemiker aus Marl kultiviert Fleischfressendes: Ranken mit Fallgruben
taz: Zeig her Deine Hände ...
Georg Benda: Bitte sehr!
Auf den ersten Blick hin völlig unversehrt. Hat dir noch nie eine Pflanze aus deinem exotischen Gezücht während der Fütterung in die Finger gebissen?
So ein Quatsch. Das kommt höchstens im Märchen vor. Tatsächlich fangen die wenigsten fleischfressenden Pflanzen richtiges Fleisch, also richtige Säugetiere. Zwar kommt es in den Tropen bei einigen Arten selten vor. Aber die meisten begnügen sich mit Insekten oder Gliedertieren.
Das klingt ja eher nach dem kleinen Hunger.
So isses. Diese fleischfressenden Pflanzen sind tatsächlich ziemlich klein. Auch die Fangmechanismen der hier wachsenden Arten messen nur ein paar Zentimeter. In den Tropen dagegen werden die Fangvorrichtungen schon mal dreißig, vierzig Zentimeter groß.
Dieses exotische Grünzeug wäre also in der Lage, eine süße, junge Katze zu schlucken?
In den tropischen Regenwäldern gibt es keine Schmusekatzen. Allerdings gibt es rattenähnliche Tiere. Und genau diese Viecher werden beispielsweise in Malaysia von Rankengewächsen zur Strecke gebracht. Die Ranken haben nämlich Fallgruben, die bis zu einem halben Meter tief sind.
Angeblich gibt es unter den Pflanzenkundlern, die auf malaysische Tropenwälder spezialisiert sind, eine hohe Beinamputationsrate.
Ein übles Gerücht. Für Menschen besteht grundsätzlich keine Gefahr. Man müßte seine Beine schon wochenlang freiwillig in diese Gruben stecken, um überhaupt Verdauungsaktivitäten zu spüren. Die Säurekonzentration ist nämlich viel geringer als etwa im Magen.
Weitgehend harmlos also. Aber wie erklärt sich dann der Mythos von den fleischeslustigen Gesellinnen?
Was weiß ich. Ich kenne nur den Tarzanfilm, in dem Baby Jane von Pflanzen gefangengenommen wird. Aber meine Pflanzen stehen völlig unspektakulär auf dem Fensterbrett.
Immerhin ein exotisches Hobby.
Gähn. Immerhin züchte ich schon seit mehr als zehn Jahren. Das ist relativ anspruchsvoll, der Orchideenkultur durchaus vergleichbar. Fleischfressende Pflanzen sind nämlich an extreme Standorte angepaßt. Also kommt es darauf an, diese Wachstumsbedingungen in Sachen Bodenbeschaffenheit, Lichteinfall und Luftfeuchtigkeit nachzubilden.
Das dürfte auch für die Fleischversorgung gelten?
Im Prinzip ja. Diese Pflanzen fangen ja nur deswegen Viecher, weil der Boden, auf dem sie wachsen, kaum Nährstoffe bietet. Die gefangenen Insekten sichern also die Versorgung an lebenswichtigen Mineralien.
Auf welche Fangtechniken sind denn deine Pflanzen im Laufe der Evolution gekommen?
Ich züchte etwa die berühmte Venusfliegenfalle, die hat einen aktiven Fangmechanismus. Ein Insekt setzt sich zwischen die roten Klappen, berührt ein Härchen, und die Klappe geht zu. Der in Deutschland beheimatete Sonnentau funktioniert ähnlich. Aus einer Ranke sprießen nektargetränkte Fäden, die umschlingen das gelandete Insekt. Passive Fallen sind Hohlräume mit glatten Wänden oder Kletterbarrieren.
Gibt es in der Nähe natürlich wachsende Fleischfresser?
Na klar. Der nächste Standort ist die Kirchheller Heide, dort gedeiht beispielsweise der Sonnentau. Aber der fällt dort nur denen auf, die was von seinem Wesen verstehen. Und wer rupft, kriegt auf die Finger. Denn die stehen natürlich alle unter Artenschutz.
Interview: Thomas Meiser
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