■ Ein Ausweg aus einem selbstverschuldeten Dilemma: Zeit für eine Militäraktion in Haiti!
Randall Robinson ist Direktor der Organisation „Transafrica“ mit Sitz in Washington, die sich für die Menschenrechte in Afrika und der Karibik einsetzt.
Es ist Zeit für eine militärische Intervention in Haiti. Die USA sollten alle kommerziellen Flugverbindungen nach Haiti einstellen und eine regionale Streitmacht zusammenziehen, die in Haiti einmarschiert, wenn sich das Militärregime weiterhin weigert, die UNO-Resolution 917 durchzuführen, das heißt, zurückzutreten. Kein vernünftiger Mensch hätte eine Militärintervention als ersten Schritt befürwortet. Aber die zunehmende, von General Raoul Cédras und seine Kohorten verschuldete Brutalisierung der haitianischen Verhältnisse läßt uns jetzt keine andere Chance. Die USA können es sich weder politisch noch sozial, noch militärisch erlauben, ihre Appeasement-Politik gegenüber dem haitianischen Militärregime fortzusetzen.
In einer Zeit dringend gebotener Sparsamkeit gibt unsere Regierung jährlich 100 Millionen Dollar aus, damit die amerikanische Kriegsmarine bzw. die Küstenwache Flüchtlinge in Haiti und Schmuggelware außerhalb der USA hält. Die an sich begrüßenswerte Zusicherung unserer Regierung, allen haitianischen Flüchtlingen eine Anhörung zu gewähren, bis andere Staaten der Region sich am Verfahren der Asylgewährung beteiligen, wird noch mehr Schiffe, noch mehr Personal und damit noch mehr Steuergelder fordern.
Auch unser politisches System gerät unter Druck. Mir ist bewußt, daß der Präsident und die Abgeordneten sich zu einer Zeit um das Schicksal haitianischer Flüchtlinge kümmern müssen, wo ihre volle Aufmerksamkeit den Bedürfnissen des Landes gelten sollte. Aber wir sollten verstehen, daß es die mörderische haitianische Militärcamarilla war, die unsere gewählten Vertreter in diesen politischen Mahlstrom mit seinen oft rassistischen Obertönen gerissen hat. Erinnern wir uns, daß in Jean-Bertrand Aristides kurzer Amtszeit mehr Haitianer in ihr Land zurückkehrten als es verließen.
Zu einer Zeit, in der die amerikanische Gesellschaft entsetzt ist angesichts der Drogenkriminalität, profitiert das haitianische Militär ungehindert vom Transfer des Rauschgifts von Südamerika an unsere Küsten. Das Hearing des Unterausschusses des Senats für Terrorismus, Drogen und internationales Verbrechen vor kurzem förderte überwältigendes Material zur Verstrickung der haitianischen Militärs in den Kokainhandel zutage. Es gab kürzlich einen Präzedenzfall in der mittelamerikanischen Region, wie mit einem Regierungschef umzugehen ist, der für den Transfer illegaler Narcotica in die USA persönlich verantwortlich zeichnete.
Wie stehen die Chancen für einen freiwilligen Rücktritt der haitianischen Militärclique? Es gibt Leute, die glauben, daß die letzten Beschlüsse des UNO-Sicherheitsrats Wirkung zeigen werden. Aber kein rationaler Grund spricht für die Annahme, daß irgend etwas außer Gewaltanwendung die Militärs in die Knie zwingen wird. Diese Leute können ganz gut mit einer wahren Kakophonie internationalen Protests leben. Je länger sie vermittels Rauschgifthandel und Schwarzmarktgeschäften Reichtümer aufhäufen, desto süßer wird ihr Leben im Exil sein – sofern dieses Ereignis je eintritt.
Gibt es politische Unterstützung für eine Militäraktion in Haiti? Eine Reihe von Abgeordneten des „Black Caucus“ im Kongreß fordern die Anwendung von Gewalt. Vor allem die verantwortlichen Politiker in Florida haben den Zusammenhang zwischen der wachsenden Brutalität der haitianischen Militärs und der wachsenden Zahl der Flüchtlinge an den Küsten ihres Bundesstaates erkannt. Es gibt auch Unterstützung seitens anderer Staaten der Region. Letzte Woche hat mir Michael Manley, der frühere Premier Jamaicas, erzählt, daß er, der kanadische Ministerpräsident Brian Mulroney und Venezuelas Präsident Carlos Andrés Pérez 1991 dazu bereit waren, eine von den USA geführte Militäraktion zur Wiedereinsetzung Aristides mit Streitkräften ihrer drei Länder zu unterstützen. Ihr Angebot wurde nie einer Antwort gewürdigt. Es war dies die Zeit, als die Bush-Administration Offiziere gerade des Regimes, das die Demokratie in Haiti beseitigt hatte, militärisch ausbilden ließ.
Zuallererst sollte eine neue Haiti-Politik der USA sicherstellen, daß die Behandlung haitianischer Flüchtlinge den internationalen Standards entspricht. Wir brauchen Einwanderungsbeamte, die kreolisch sprechen, bzw. qualifizierte Übersetzer, die sie unterstützen können. Anwälte müssen freien Zugang zu den Asylsuchenden erhalten, und Funktionäre der UNHCR müssen als Beobachter zugelassen werden. Schließlich müssen wir andere Länder dazu bringen, die Last des Flüchtlingsproblems mit uns zu teilen.
Zur gleichen Zeit, wo wir uns vorbereiten, das haitianische Militärregime zu beseitigen, müssen wir Vorsorge treffen, daß wir unserer Verpflichtung nach dem sog. Governors-Island-Abkommen erfüllen können. Dieses Abkommen, dem wir letztes Frühjahr beitraten und das wir letzten Herbst so leichtfertig über Bord warfen, sieht Umerziehung und Training jener haitianischen Sicherheitskräfte vor, die besserungsfähig sind. Das Volk von Haiti hat Anspruch auf geduldige Unterstützung der USA bei der Entwicklung von demokratisch orientierten und kontrollierten Streitkräften.
Truppen der USA und anderer regionaler Mächte müssen nach der Militäraktion sorgfältig ausgearbeitete Programme ziviler und humanitärer Unterstützung durchführen. Brunnen bohren, Krankenstationen errichten, Militärstützpunkte aus Wohngebieten entfernen – diese Art von Unterstützung haben die USA anderen Nationen angesichts von Katastrophen geleistet – Naturkatastrophen wie solchen, die Menschen angerichtet haben.
Unsere Militärplaner sind zuversichtlich, daß die Operation zur Entfernung der haitianischen Militärherrschaft schnell und wenig kostenträchtig über die Bühne gehen könnte. Weil aber unser Militär mit Typen wie Cédras in Haiti stets freundschaftliche Beziehungen unterhielt, zögert man jetzt im Pentagon, gegen die alten Freunde vorzugehen. Die einzig wirksame Waffe von Cédras und seiner Soldateska besteht in ihrem wohlbegründeten Kalkül, daß die amerikanischen Sicherheits- und Geheimdienststellen Pläne zur Gewaltanwendung gegen Haiti eher hintertreiben als fördern.
Ein letztes Wort der Vorsicht. Clinton hat sich zur Wiederherstellung der Demokratie in Haiti verpflichtet und dazu, daß die Wahlen vom Dezember 1990 respektiert werden. Aber es gibt Leute wie George Bush und Dan Quayle, die raten, die USA sollten lieber auf Neuwahlen für das Präsidentenamt in Haiti setzen. Eine solche Empfehlung schlägt nicht nur demokratischen Prinzipien ins Gesicht. Sie würde auch die Aufgabe erschweren, die nötige öffentliche Unterstützung für eine Militäraktion zu gewinnen. Randall Robinson
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