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■ Ein AufrufRasch handeln!

Die Wut zerreißt einem die Gedärme, zernagt die Knochen. Es ist mehr als genug. Ich kann diese Fratzen, die nach jedem Mordanschlag mit einer Unschuldsmiene auf der Mattscheibe erscheinen und scheinheilig ihre vermeintlichen Schamgefühle bekunden, nicht mehr sehen. Wir wissen doch, daß viele von ihnen selbst das Feuer des Hasses geschürt haben und es weiterhin schüren werden. Ihre Krokodilstränen sind widerlich.

Foto-Nr.27

Fromme Sprüche...

Foto: Graf Druckula

Allmählich sollten wir Ausländerinnen und Ausländer uns schämen. Denn es ist doch leicht voraussehbar, was auf uns zukommt, wenn wir uns nicht endlich rühren. Rostock und Mölln sind erst einmal der Gipfel des Eisberges. Wir sollten endlich aufhören, Tag für Tag um das Mitleid der Deutschen zu werben, damit man uns gnädigst am Leben läßt. Unsere Appelle an die Humanität und Zivilisation stoßen bei den Verantwortlichen auf taube Ohren. Es steht fest, daß man nicht gewillt ist, uns den erforderlichen Schutz zu gewähren.

Wir sind sechs Millionen, eine Minderheit von beachtlicher Größe. Und offen gesagt, es wäre beschämend, wenn wir nicht in der Lage wären, uns fernab aller politischen, ethnischen und sonstigen Differenzen zu organisieren, uns selbst zu schützen und zu helfen. Selbstverständlich könnten uns auch unsere deutschen Freunde und Freundinnen dabei unterstützen – man sollte jede unsinnige Grenzziehung zwischen Deutschen und Ausländern vermeiden. Doch wir selbst müssen uns endlich rühren, müssen die Initiative ergreifen. Wir könnten doch im Rahmen der bestehenden Gesetze und Möglichkeiten für gefährdete Siedlungen und Heime effektive Schutzmaßnahmen treffen, könnten einen bundesweiten Streik organisieren, damit diejenigen, die „Ausländer raus!“ rufen, endlich spüren, welche Konsequenzen ihre Aufforderung im Falle der Verwirklichung hätte. Wir könnten der zunehmenden Diskriminierung durch Inanspruchnahme juristischer Möglichkeiten entgegenwirken, könnten an verschiedenen Orten Beratungszentren einrichten, könnten ..., wenn wir wie Gewerkschaften und Interessenverbände organisiert wären. Würde von den sechs Millionen im Durchschnitt jeder nur eine Mark im Monat spenden, könnten wir auch das finanzielle Problem halbwegs lösen. Man müßte sich auch überlegen, ob es nicht Möglichkeiten gäbe, daß die Gelder zur Mitfinanzierung der deutschen Einheit, die Ausländer bezahlen, statt dessen zur finanziellen Selbsthilfe zur Verfügung stehen. Schließlich geht es hier um das nackte Leben, was wohl höher zu bewerten ist als die Lösung ökonomischer Probleme in den neuen Bundesländern. Sicher werden sich nicht alle in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländer an der Organisierung beteiligen. Doch nur ein Zehntel, ja selbst ein Hundertstel würde genügen, um eine hilfreiche Organisation auf die Beine zu stellen. Wir sollten jetzt rasch handeln, ehe es zu spät ist.Bahman Nirumand

Wer Interesse an praktischer und theoretischer Mitarbeit an der Intertaz hat, ist zu einem Treffen mit Bahman Nirumand am 4.12. um 17 Uhr im taz-Archiv eingeladen.

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