Eichenprozessionsspinner: Ein Insekt zum Haare raufen
Deutschland hat ein neues Problemtier: den Eichenprozessionsspinner. Warum die Raupen so gefährlich sind und was gegen sie getan werden kann.
BERLIN taz | „Betreten verboten, Eichenprozessionsspinnerraupen“. Solche Schilder sieht man in diesem Sommer immer öfter. Die Warnungen sollen verhindern, dass Menschen mit einem winzigen Tier in Berührung kommen, das bis vor Kurzem noch kaum jemand kannte.
Die wenige Zentimeter große Raupe mit den langen Haaren ist das neue Problemtier Deutschlands. Sie taucht im Süden auf, im Westen, in Berlin-Brandenburg, Sachsen-Anhalt und in Hamburg. Betroffen sind nicht nur, wie früher, Eichenwälder, sondern zunehmend auch innerstädtische Parks, Gärten und Siedlungen.
Dabei gelten die Raupen, deren Name darauf zurückgeht, dass sie sich in großen Gruppen an der Baumrinde entlang bewegen (siehe Video unten), nicht als Problem für die Bäume – solange sie die Kronen nicht wiederholt komplett kahl fressen, sondern vor allem für den Menschen. Der Grund sind die feinen Haare der Insekten, die – als Schutz vor Fressfeinden – ein Nesselgift enthalten. Kommt das mit der Haut oder mit Schleimhäuten in Kontakt, führt es häufig zu allergischen Reaktionen, im schlimmsten Fall zu einem allergischen Schock.
Wann?
Die Gefährdung durch die Brennhaare des Eichenprozessionsspinners beginnt etwa im Mai und dauert bis in den November hinein.
Was passiert?
Nach einem direkten Kontakt kommt es meist zu einer allergieähnlichen Reaktion. Das können insektenstichartige Flecken mit starkem Juckreiz sein bis hin zu Ausschlag. Augenreizungen, Atemnot, Schwindelgefühl und Fieber sind ebenfalls möglich.
Was dann?
Zunächst Kleidung ablegen, und zwar möglichst vor der Haustür, sonst sind die Haare in der Wohnung. Danach: gründlich duschen, Haare waschen, Augen ausspülen. Sichtbare Raupenhaare können mit Klebestreifen von der Kleidung entfernt werden, dann die Stücke bei 60 Grad waschen. Bei starken Hautreaktionen sollte ein Arzt konsultiert werden, bei Atemnot besser direkt den Rettungsdienst rufen. (sve)
Nicht nur Menschen sind gefährdet: Halter berichten, dass auch Hunde und Pferde nach dem Kontakt erkrankten. Der Zeitraum, in dem die Brennhaare in der Umwelt sind, beschränkt sich keineswegs auf die Zeit, in der sich die Tiere im Raupenstadium befinden.
Bis in den November hinein warnen die Behörden vor Kontakt. Dass die Raupen, die noch vor zehn Jahren vor allem in Südeuropa zu finden waren, nun auch hier heimisch werden, führen Wissenschaftler auf den Klimawandel zurück. Die Tiere gelten als wärmeliebend: je milder die Frühjahre, desto stärker die Verbreitung, so die Schlussfolgerung.
2006 habe man erstmals Exemplare des Eichenprozessionsspinners entdeckt, sagt Bernd Roser, Abteilungsleiter im Grünflächenamt von Frankfurt am Main. Mittlerweile sei das Insekt flächendeckend zu finden. Die Behörden versuchen, der Raupe mit zwei unterschiedlichen Methoden den Garaus zu machen: Im Stadtwald setzt die Stadt ein Biozid ein, 125 Hektar werden damit besprüht.
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Der Spinner geht, die Haare bleiben
Bei einzeln stehenden Eichen, etwa auf Schulhöfen, gehen die Schädlingsbekämpfer anders vor: Sie versehen die Nester erst mit Klebemittel, um ein Ausbreiten der Raupenhaare zu verhindern und saugen sie dann ab. Ein aufwendiges, teures Unterfangen: Ein Spezialist für Schädlingsbekämpfung muss in Spezialkleidung anrücken, meist eine Hebebühne mitbringen, um überhaupt an die Nester zu kommen.
Und selbst wenn diese entfernt sind – die Haare sind damit noch nicht weg. „Man sollte den nächsten Regenguss abwarten“, sagt der Biologe und Schädlingsbekämpfer Björn Kleinlogel. Laut Roser müssen in Frankfurt jährlich etwa 300 bis 600 Bäume so behandelt werden.
Doch den Einsatz des Biozids kritisiert der Naturschutzbund (Nabu). Schließlich gehe es bei dem Gifteinsatz vor allem um wirtschaftliche Interessen, weil das Holz der befallenen Bäume nicht mehr genutzt werden könne. „Man könnte das Absterben der Eichen auch einfach tolerieren“, sagt Waldreferent Stefan Adler.
Wirklich gegen die Nester vorgehen müsse man seiner Meinung nach nur da, wo es eine akute Gefährdung des Menschen gebe – etwa in Parks. „Durch die Bekämpfung mit Gift aus dem Hubschrauber wird der Eichenprozessionsspinner nicht dauerhaft an einer Ausbreitung gehindert“, kritisiert Adler. Abgesehen davon schädige die Substanz nicht nur den Spinner, sondern auch andere Lebewesen.
Teures Teufelszeug
„Es wirkt natürlich auch auf andere Schmetterlingsraupen“, sagt auch Amtsmann Roser über das Biozid. Doch habe man bei einem Vergleich zwischen behandelten und nicht behandelten Flächen keine signifikanten Unterschiede festgestellt. „Die Auswirkungen sind nicht so erheblich, dass zum Beispiel die Vögel keine Nahrung mehr finden.“
Wenn Schädlingsbekämpfer Kleinlogel über den Eichenprozessionsspinner spricht, klingt es mitunter, als gehe es um seinen persönlichen Feind. „Teufelszeug“, sagt er über das Insekt. „Wir ziehen an, was wir können, und trotzdem kriegt man immer wieder etwas ab.“ Das größte Problem gebe es nach der Beseitigung der Nester: „Zieht man dann die Kleidung aus, kommt man mit den Brennhaaren in Kontakt, setzt man sich damit ins Auto, ist das Fahrzeug kontaminiert.“
Mittlerweile lagere sein Unternehmen sämtliches Material für die Beseitigung des Spinners in einem Extracontainer. Es gebe Autos, die nur für die Fahrten zu diesen Einsätzen verwendet werden. Der Schädlingsbekämpfer plädiert für Gift vorher, statt hinterher abzusaugen – obwohl ihn das einen Teil seiner Aufträge kosten würde. „Aber für die Kommunen ist das wirtschaftlich viel sinnvoller.“
Denn die Beseitigung kostet: 130 Euro pro Stunde verlangt Kleinlogel. Manchmal reicht das für einen Baum, meistens nicht. „Im Extremfall arbeiten zwei Mann einen Tag lang mit einer Arbeitsbühne.“ Die Aufträge kämen vor allem von Städten und Gemeinden. „Der Privatmann kann eher mal sagen, dann nutzt er eben das Grundstück nicht, wenn ihm die Beseitigung zu teuer ist“, sagt Kleinlogel. Bei einem Kindergarten sei das nicht so einfach.
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