■ Ehrenerklärung für „Welt“-Redakteur Zitelmann: Der Täter als Opfer
Die Rechte – nicht die mit dem Baseballschläger, sondern die, die sich die Finger selbst nie schmutzig machen würde – hat einen neuen Märtyrer: Rainer Zitelmann. Der Mann solle mundtot gemacht werden, auch Rechte müßten ihre Meinung sagen dürfen, es sei empörend, wie mit diesem Mann umgegangen würde. Wer also ist dieser beklagenswerte Mensch?
Was Zitelmann aus der Masse rechter und rechtsradikaler Schreiber, die seit dem Mauerfall und der Vereinigung versuchen, die Feuilletons zu erobern, heraushebt, ist sein Organisationstalent und die Fähigkeit, Aufmerksamkeit zu erregen. Als Cheflektor des Ullstein-Verlages startete er bald nach der wiedererlangten „deutschen Souveränität“ eine Reihe, in der alles versammelt wurde, was sich für den „Rückruf in die deutsche Geschichte“ starkmachte. Tenor: Die Fesseln der Vergangenheit gehören schnellstens abgestreift, die Zeit der Besatzung und Demütigung der großen deutschen Nation hat endlich ein Ende, was gebraucht wird, ist deutscher Bekennermut.
Dabei zeigt Zitelmann eine besondere Vorliebe für ehemalige Linke auf dem Weg zur Nation. Wenn Tilman Fichter die nationalen Versäumnisse der SPD beklagt, tut er dies bei Zitelmann. Wenn Alfred Mechtersheimer sich von der amerikanischen Bevormundung befreien möchte, um selber wieder Geopolitik zu gestalten, desgleichen.
Das erregte Aufsehen und half beim Trendsetting. Zitelmanns Buchreihe fand Beachtung. Mit dieser Empfehlung kam er zur Welt. Offenbar soll er bei dem Blatt, das seit Jahrzehnten gegen die FAZ keinen Stich macht, seinen Ullstein-Erfolg wiederholen. Daß ihm jetzt die ganz überwiegende Mehrzahl der Welt- Redakteure vorwirft, er und seine beiden Mitstreiter Ulrich Schacht und Heimo Schwilk brächten den Kulturteil der Zeitung auf Rep-Niveau, ist angesichts dessen, was in den letzten 20 Jahren so alles in der Welt stand, mehr als bemerkenswert. Genutzt hat es bisher nichts, Zitelmann bleibt auf seinem Posten.
Darüber hinaus hat er noch einmal gezeigt, warum er der herausragende Organisator für rechte Ideologieproduktion geworden ist. Als angebliches Opfer einer redaktionsinternen Auseinandersetzung gelang es ihm, eine ganze Reihe bekannter Namen zur Unterschrift unter eine Ehrenerklärung für ihn zu bewegen, unter anderen eben auch Tilman Fichter, Wolfgang Templin, Günter Nenning und Brigitte Seebacher-Brandt. Ein Coup, wie er traditionellen Rechten nie gelang. Zitelmann, den Namen muß man sich merken. Aus dem wird noch was. Jürgen Gottschlich
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