Eheliche Abgründe: Ist Tod Verderben?
Götz Spielmanns Film "Revanche" fragt, wie sich umfassende schuldhafte Verstrickung aushalten lässt.
Zwei Männer, zwei Frauen. Alex (Johannes Krisch) war im Gefängnis, wegen was, erfahren wir nicht. Vermutlich kriegt er deswegen nirgendwo anders einen Job als im Rotlichtmilieu. Dort schleppt er Getränkekisten, verteilt Handtücher auf den Zimmern, in denen die Mädchen aus Osteuropa auf ihre Kunden warten. Mit einer von ihnen, Tamara (Irina Potapenko), hat er ein Verhältnis, von dem der Chef nichts wissen darf. Der hat nämlich ein geschäftliches Auge auf sie geworfen und für Höheres auserwählt - für Spitzenkunden, Politiker, die sich ungern in einem schäbigen Bordell erwischen lassen. Und dann ist da ein Ehepaar. Robert (Andreas Lust) und Susanne (Ursula Strauss) haben sich ein adrettes Einfamilienhaus am Waldrand geleistet. Mit dem Gehalt, das Robert als Polizist verdient, wird es noch Jahre dauern, bis die Raten abbezahlt sind.
Zwei Welten, sollte man meinen, die nichts miteinander gemeinsam haben. Doch im österreichischen Kino ist keine Begegnung zu abwegig, als dass sie nicht durch die Unerbittlichkeit des Zufalls herbeigeführt werden könnte. Erst geht ein Banküberfall schief, mit dessen Beute Alex sich und Tamara eine gemeinsame Zukunft sichern wollte. Robert erschießt Tamara, die im Fluchtwagen saß, obwohl er doch, wie er später beteuert, auf die Reifen gezielt hatte. Dann taucht Alex, der unerkannt blieb, ausgerechnet auf dem Bauernhof seines Großvaters unter, dem Susanne regelmäßig Besuche abstattet. Seine Trauer und Wut reagiert Alex ab, indem er tagelang auf dem Hof schuftet. Durch die Bekanntschaft mit Susanne erfährt er den Namen des Mannes, den er für den Tod Tamaras verantwortlich macht. Tage- und nächtelang streift er durch den Wald, beobachtet Robert beim Joggen.
In den Kontrasten, Zuspitzungen und Auflösungen in der zweiten Hälfte des Films findet "Revanche" seine stärksten Momente. Man ist Regisseur Götz Spielmann nachgerade dankbar dafür, dass er das halbseidene Milieu rasch hinter sich lässt - den Typus des abgefeimten Wiener Zuhälters mit einer sadistischen Freude an der Erniedrigung von Prostituierten hat man im österreichischen Kino schon genug gesehen. Trotz eines Hangs zur Übererklärung gelingt Spielmann die intensive Studie eines Mannes, der weiß, dass er nichts mehr geradebiegen kann, und seiner Wut dennoch eine Richtung geben muss.
Johannes Krisch spielt Alex mit einer Mischung aus Übermut, Naivität und Selbsthass. Er beginnt, auf Einladung von Susanne, ein sexuelles Verhältnis mit der Ehefrau des Polizisten. In deren Beziehung läuft es auch alles andere als rund. Obwohl seine Kollegen von einem dummen Unfall reden, kann Robert die unbeabsichtigte Tötung nicht verkraften, schottet sich mehr und mehr gegen seine Ehefrau ab. Am Ende sind alle Beteiligten untereinander in schuldhafter Verstrickung verbunden: ob dieser Zustand einer ist, der sich aushalten lässt, ist die Frage, die der Film stellt.