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Archiv-Artikel

Editorial

■ Wenige Tage vor der Kopenhagener Klimakonferenz präsentieren wir Ihnen auf den folgenden Sonderseiten erneut – wie schon zu Pfingsten – gute Nachrichten und Erfolgsmodelle aus der ganzen Welt. Zwei gute Nachrichten hier gleich vorweg: Erstens bedarf es – wie die nebenstehende Grafik zeigt – nicht vieler Ressourcen, um glücklich zu sein. Das ist das Ergebnis des „Happy Planet Index“, den unsere Zeichnerin Juliane Pieper grafisch umgesetzt hat. Die Lebenszufriedenheit ist nicht etwa bei den Superreichen am höchsten, sondern bei den eher armen Mittelamerikanern. Auch im sozialstaatlich abgesicherten Skandinavien fühlen sich die Menschen überdurchschnittlich wohl.

Den Index erstellten die Mitarbeitenden des „Think-and-Do-Tanks“ New Economics Foundation in London. Die Stiftung kämpft seit 1986 für Ökosteuern, alternative ökonomische Messmethoden und den Schuldenerlass für Drittweltländer. Ihr Happy Planet Index setzt sich aus drei Komponenten zusammen: dem subjektiven Wohlbefinden und der objektiven Lebenserwartung der Bewohner von 143 Ländern sowie ihrem Ressourcenverbrauch – also dem „ökologischen Fußabdruck“, den sie jeweils hinterlassen.

Das Ergebnis bestätigt das aus der Glücksforschung bekannte „Wohlstandsparadox“: Trotz der Einkommensvervielfachung, die die Bewohner der westlichen Länder in den letzten 50 Jahren erfahren haben, sind diese kaum glücklicher geworden. „Der Anspruch auf einen Platz an der Sonne ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass sie untergeht, sobald er errungen ist“, schrieb einst Kargute Nachrichten und Erfolgsmodelle l Kraus, und man kann sich lebhaft vorstellen, wie der österreichische Satiriker dabei ein ganz klein wenig böse lächelte.

Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Wenn wir unseren gewaltigen Ressourcenverbrauch reduzieren – und angesichts des drohenden Klimadesasters müssen wir das –, dann heißt das noch lange nicht, dass sich unser Wohlbefinden mindert. Wenn wir es klug anstellen, wird es sich sogar steigern.

Die zweite gute Nachricht stammt aus dem kleinen Himalaja-Staat Bhutan, der zwar im Happy Planet Index nicht auftaucht, den aber taz-Reporter Sascha Zastiral bereist hat. Bhutan hat das Bruttosozialglück seiner Bewohner als Ziel in seine Verfassung hineingeschrieben; eine oberste Glücksbehörde befragt regelmäßig Frauen und Männer, ob sie zufrieden sind – und wenn nicht, ob die Behörden etwas daran ändern können. Ein geradezu visionäres Politikmodell, von dem man in Deutschland und in vielen anderen Ländern nur träumen kann.

Klare Schlussfolgerung: Das Bruttosozialprodukt gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Das Wohlergehen von Nationen und ihren Bewohnern muss ganz neu definiert werden. Deshalb klären wir auf den folgenden Seiten darüber auf, welche wissenschaftlichen Ansätze und politischen Initiativen dazu existieren, geben einen Überblick über die Erkenntnisse der Glücksforschung und befragen den Wachstumskritiker Hans-Christoph Binswanger. Zudem stellen wir verschiedene Erfolgsmodelle zum Thema Ressourcenverringerung und Umweltgerechtigkeit vor.

Viel Spaß und Glück beim Lesen! UTE SCHEUB

www.happyplanetindex.org

www.neweconomics.org

P.S.: Anregungen, Lob und Kritik bitte an erfolgsmodelle@taz.de