Edith Kresta über Proteste gegen Massentourismus auf den Kanaren: Tourist als Schimpfwort
Manche Orte werden zu Tode geliebt. Venedig, Sevilla, Dubrovnik, die Kanaren. Den Menschen vor Ort reicht es. Überteuerter und als Ferienwohnung enteigneter Wohnraum. Hohe Lebenshaltungskosten und Preise. Entseelte, überfüllte Plätze und zu Kellnern und Zimmermädchen degradierte Einheimische. Und ein Lebensstil in schicken Resorts, der die knappen Wasserressourcen auf dem üppig begrünten Golfplatz ausschöpft. Dabei wird in touristischen Regionen Südeuropas das Wasser immer häufiger rationiert.
Der Tourismus an den europäischen Hotspots kann sein Versprechen von Einmaligkeit, Natur, dem Besonderen, dem Schönen nur noch in kleinen Konsumhäppchen einlösen. Das Erlebnis der einmaligen Lagunenstadt Venedig ist längst im touristischen Getriebe niedergetrampelt.
Der Massentourismus wächst. Die Politik ergreift nur zaghaft Maßnahmen. Dabei sind Regelungen für den Wohnungsmarkt mit hohen Auflagen für Ferienwohnungen noch das nachhaltigste Mittel. Gebühren für überlaufene Plätze oder Eintrittsgeld für die Stadt werden kaum einen Urlauber abschrecken. Das Argument von Arbeitsplätzen und Investoren hat es bislang fast immer geschafft, jegliche politischen Bemühungen sozial und ökologisch orientierter Kräfte auszuhebeln und die Restnatur bei Interesse touristischer Vermarktung preiszugeben.
Nur der Protest der Bevölkerung kann die Politik zwingen, der scheinbaren Alternativlosigkeit zum Großinvestor und Großprojekt etwas entgegenzusetzen. Genau das fordern die Demonstranten auf den Kanaren. Sie wollen einen verträglicheren Tourismus, der ihnen nicht die Luft zum Atmen nimmt. Die Politik in Spanien, Italien, Griechenland ist dafür zu kurzatmig. Zu schön sind die Zahlen ferienbedingter Vollbeschäftigung, zu unpopulär Beschränkungen und zu schwierig ist das Umdenken auf langfristige Perspektiven. Und wir alle sind es gewohnt, mal kurz auf den Kanaren durchzuatmen. Dabei gilt das Fliegen immer mehr als uncool, vielleicht bald schon das Reisen überhaupt. Das wäre schade.
der tag 2
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